Die mehr als ölige Kugelschreiberbranche

Ich meine, den sozialen Bezug zur Außenwelt habe ich schon längst verloren, doch nun entgeht mir auch noch die Realität. Man weiß ja, daß das Trinken und Rauchen von Rauschmitteln einen meschugge macht, doch bei mir wird das ganze durch den Umstand verstärkt, daß ich nicht nur als Einziger im Staate Umamatlarumma lebe, sondern auch noch alleine in meiner kleinen Wohnung arbeite, hier also quasi Tage und Nächte mutterseelenalleine  verbringe. Meine Arbeit erlaubt mir das.
Weißt du, ich baue Kugelschreiber zusammen. Ich bekomme die Einzelteile per Post, schraube alles zusammen und irgendwann werden die fucking Kugelschreiber abgeholt. Brauch ich nicht großartig erklären oder? Manchmal werde ich auch von Leuten angerufen, zu denen ich dann hinfahren muß, um die Kugelschreiber zusammenzudrehen. Das habe ich aber seit einigen Monaten abgedreht. Ist mir zu kompliziert. Waschen, anziehen, Schuhe zusammenbinden, ins Auto steigen, Motor anlassen, irgendwohin fahren, Floskeln dreschen, heimfahren. Alles Scheiße.
Heute hat mich wieder so ein Typ angerufen. Er hätte was Neues vor, er bräuchte Kugelschreiber. Klaro, sag ich, schicke er es mir. Naja, meint er, ob wir uns nicht treffen könnten. Erkläre ich ihm, ich kenne solche Typen wie ihn. Haben was neues vor, palabern stundenlang für nichts und wieder nichts im Kreis herum, Hinfahrt, Heimfahrt, koste Zeit, koste Geld. Na gut, antwortet er, er könne mir einfach alles schicken. Is recht, sag ich und leg auf.

Ich aas:
1 Schüssel öligen Ölmatsches

Wann kommt der Bäcker?

Lasset uns beten und mit dem normalen Programm fortfahren. Ich habe mich dazu entschlossen, den kummerreichen Törnbereich an anderer Stelle fortzusetzen – zu sehr lenkt er von der eigentlichen Aufgabe, der kulinarischen nämlich, ab. Ja!
Der zeitlich immer größer werdende Abstand meiner wertlosen Beiträge wurde auch deshalb in letzter Zeit immer gewaltiger, weil ich nicht nur durch jede Menge Liturgie die Flut heraufbeschwor, um für immer segeln zu können, sondern ich hatte auch sonst einiges um die Ohren. Ich gab nämlich nach langen Jahren einmal wieder ein Konzert mit meiner alten Gitarre, ich mußte im Dojo Prüfungen bestehen und ich mußte nacharbeiten, was ich während des Segeltörns zurückließ.
Nun läuft hier wieder alles wie gewohnt: ich schreibe, was ich esse, und keiner interessiert sich dafür.

Heute aas ich:
1 Brot mit Liptauer
1 Käse
1 Paradeiser
2 Stück Nachspeise aus der Wiener Geheimbäckerei

Und das passende Gleichnis zu der Fürbitte:

Törnbericht Kykladen 2009 – Teil X – Die Ochsentour

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Völlig erschöpft kamen die Ausflügler von Delos aufs Boot zurück. Verschwitzt, ausgetrocknet, hungrig. Jesus, der von allen noch am hoffnungsvollsten dreinblickte, wurde von mir dazu auserkoren, für uns alle das Mittagessen zu bereiten. Er sei schließlich Koch. Während sich alle auf das Trinkwasser stürzten und noch schnell eine Runde im Meer schwammen, machte Jesus ein paar kräftige Züge aus der Weinflasche und begann zu kochen. Ein paar Minuten später holten wir den Anker ein und fuhren weiter Richtung Naxos.
Ich meine, ich habe nie herausgefunden, ob Jesus wirklich Koch war, aber er stellte sich ziemlich geschickt an. Er holte sich die Pütz – das ist der Kübel, mit dem man Wasser aus dem Meer holt, um damit das Boot zu putzen oder der verwendet wird, wenn einer den ganzen Tag kotzt – und begann, alle Zutaten in den Eimer zu geben. Er schnitt Gemüse hinein und kleine Fleischbrocken, gab irgendwelche Flüssigkeiten dazu, Gewürze – was weiß ich, was alles – und rührte kräftigst um. Der letzte seekranke Mageninhalt, den ich in der Pütz gesehen hatte, sah genauso aus. Fürs Kochen der Nudeln jedenfalls konnte sogar ich – ja, du liest richtig – sogar ich unserem Koch Jesus einen Tipp geben: auf Segeltörns kocht man Reis und Nudeln mit Seewasser. Man spart sich das lästige Salzen und Nachsalzen und – es ist einfach cool.
Kaum waren wir aus der Durchfahrt Delos-Rinia raus, kam etwas Wind auf, nicht viel. Wir setzten Segel – es war dabei etwas schwierig, die Nachbarin davon zu überzeugen, daß es sinnvoll ist, Segel zu setzen, wenn man mit einem Segelschiff unterwegs ist.
Die Umstände waren nun ideal, um meinen Verpflichtungen als Skipper nachzugehen: das Üben von MOB-Manövern (Mann-über-Bord). Bei diesen Übungen springt natürlich niemand wirklich ins Meer – obwohl ich gut Lust gehabt hätte, die Nachbarin ins Meer zu schmeißen -, nein, man wirft einen schwimmfähigen Gegenstand und versucht danach, diesen zu retten – so als ginge es um Tod oder Leben. Nur durch permanentes Wiederholen dieser Situation besteht die Chance, im Ernstfall richtig zu reagieren. Ich holte für diese Übung heimlich eine halbleere 3-Liter-Weinflasche aus Plastik und schoß sie völlig überraschend mit einem schrillen „Retsina über Bord!“ ins Wasser. Die Reaktionen der Crew waren unterschiedlich. Während die alten Hasen, die das schon kannten, aufsprangen, um meine Befehle zu hören, kam Jesus, der am Kochen war, wie ein Tornado aus dem Schiffsinneren herausgeschossen und wollte der Flasche ins Ungewisse nachspringen. Meine Nachbarin fragte mich nur, ob ich nun von allen guten Geistern verlassen worden sei und zeigte mir den Vogel. Und Mutter sah mich mitleidsvoll an. So als ob sie sich fragen würde, ob sie während ihrer Schwangerschaft nicht doch zuviel Alkohol getrunken hatte. Nichtsdestowenigerzumtrotz fuhr ich mit dem Manöver fort und teilte den Leuten ihre Aufgabe zu – ich wollte diese Flasche zurück. Letztendlich habe ich den Großteil der Rettungsarbeit selbst geleistet. Die anderen waren damit beschäftigt, Jesus festzuhalten und der Nachbarin Länge mal Breite zu erklären, warum wir so ein Tamtam wegen einer blöden Plastikflasche machten, um sie zu retten. Nach vier Versuchen hatte ich die Scheißflasche aus dem Wasser geholt. Ich war völlig am Ende. Vor allem mit meinen Nerven.

Ich, der ich ein Herz wie ein Ochse habe, aas heute:
1 kaputte Marille
2 Ochsenherzparadeiser
1 Apfel

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Törnbericht Kykladen 2009 – Teil IX – Delos und das XXXL-Grabtuch

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So fuhren wir also mit unserer Artemis unter Motor von Mykonos nach Delos. Es war heiß, die See fast spiegelglatt und ich wünschte mir den Meltemi zurück. Gelangweilt von diesen Zuständen schaltete ich den Autopiloten ein und setzte mich mit einem erfrischenden Gutenmorgenbiertschi an den Bug.
Einige Zeit später erreichten wir die Enge zwischen Rinia und Delos. Hier wollte ich über Mittag ankern und etwas Ruhe finden, alleine sein. Daher gab ich nach dem Ankermanöver der versammelten Crew den Befehl zur vollständigen Besichtigung von Delos, wofür sie eine Stunde Zeit bekam. „Eine Stunde nur? Das ist doch zuwenig!“, gab es Einwände. Ich verwies auf unseren Zeitplan, wir wollten Abends in Naxos sein.
Während unter meinen Mitseglern sofortige Hektik ausbrach, setzte ich mich mit einem weißen Spritzer unter die Bimini in den Schatten und sah amüsiert dem chaotischen Treiben zu. Einer fiel bereits beim übereilten Zuwasserlassen des Dhingis ins Meer. Auch die Überfahrt zum Festland war recht lustig anzusehen. Weil unser Schlauchboot so klein war, mußte die Fahrt zweimal gemacht werden, um alle an Land zu bringen. Zuerst kamen die Damen, deren größte Sorge es war, nur keine nassen Schuhe oder gar einen nassen Hintern zu bekommen. Sie würden bei der kleinsten Wasserberührung jeden im Schlauchboot killen. Schon allein das Einsteigen der Damen gestaltete sich als nicht so einfach, denn sie wollten sich den besten Platz sichern, setzten sich daher nicht gleich hin, sondern versuchten aufrecht gehend über das Dhingi zu spazieren . Das Boot begann natürlich immer heftiger zu schaukeln, die Burschen, die in Todesangst versuchten, das Ding gerade zu halten, bekamen Schweißausbrüche. Meine Mutter verlor bald ihre Standhaftigkeit und stürtzte mit dem vollen Gewicht ihres XXXL-Busens auf das verschwitzte Gesicht unseres mexikanischen Freundes Jesus. Mutter war nun höchst empört über den katastrophalen Zustand ihres Kleides, welches nun aussah wie das Turiner Grabtuch. Sie hätte den Mann hinter ihr fast geohrfeigt, der natürlich an der plötzlichen Schräglage des Dhingis schuld war.
Mit meinem kühlen Gspritzten in der Hand beobachtete ich nun vom Boot aus die Landausflügler, wie sie sich, den Zeitdruck im Nacken, abhetzten. Die Burschen rannten in der prallen Sonne den Hügel rauf und runter, schoßen im Laufschritt die Fotos, während Jesus und die Nachbarin meiner Mutter in den Schatten halfen.

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Ich aas, eigentlich gestern, mit dem Navigationsbesteck:
1 Reserve Sekt
1 Portion eisgekühlte Pflanzen

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Törnbericht Kykladen 2009 – Teil VIII – Fickpuppen und Steinhaufen

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In dieser Nacht streunten wir noch etwas in Mykonos herum. Scheiße diese Stadt, wenns finster wird. Sieht aus wie ein Kuhdorf aus weißen Puppenhäusern, kitschig beleuchtet. Die Leute, die dort herumrennen, sehen auch wie die Puppen aus. Wie stumme Fickpuppen.

5. Tag Mykonos – Naxos:
Ich erwachte. In meiner Kajüte. Oje. Neben mir die Nachbarin, die nun selbst wie eine Fickpuppe dalag. Ihr Kopf hing nach hinten von der Koje, ihr Mund war weit geöffnet, anscheinend hatte sie eine völlig verstopfte Nase. Als ich das verkrustete Zeug in ihrem Gesicht sah, war mir klar warum. Oh Mann, was war ich besoffen, ich erinnerte mich an nichts.
Ich kroch aus dem Bett, zog mir irgendwas über und beseitigte alle Beweise meiner Anwesenheit in diesem Raum. Danach kletterte ich an Deck, um Aurora zu begrüßen. Zwei Crewmitglieder lagen herum. Einer schnarchte wie eine Wildsau, der andere wachte gerade auf und kratzte sich die Eier. Um ihn schneller in den Wachzustand zu bringen, stieß ich ihn mit einem Tritt von seiner Sitzbank und sagte: „Legen wir ab, Alter.“
Er wolle noch duschen, warf er ein.
„Hier in Griechenland? Was? Gibt es Duschen in der Marina?“, staunte ich.
Ja, sie wären gestern duschen gewesen und das sogar kostenlos.
„Also gut. Ihr habt eine Stunde. Ich verzieh mich derweilen ins Kafenion.“, sagte ich und schlapfte davon.
Wie bereits gesagt. Geldgierig sind sie nicht, die Griechen, aber auch nicht zuverlässig. Es stellte sich heraus, daß die angeschlagenen Öffnungszeiten der Duschen nicht so genaugenommen wurden.
Und tatsächlich legten wir etwas mehr als eine Stunde später ab. Unter den Argusaugen meiner Mutter. Sie hatte schon die restliche Crew geweckt, Befehle verteilt und Ordnung hergestellt.
Mittags wollten wir zwischen Delos und Rinia ankern, um den geschichtsinteressierten Seefahrern die Möglichkeit zu bieten, den antiken Steinhaufen von Delos zu besichtigen.

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Spät ists und ich aas mittags:
1 Brot
2 Gurkerl
1 Paprika
1 Käse aus dem Hause Geheimrat
1 Topfen

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Törnbericht Kykladen 2009 – Teil VII – Jesus und das Seerecht

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Da saß ich nun. Auf Mykonos. In irgendeinem Lokal. Der Wind war weg, die Nachbarin da. Und meine Mutter war da. Mit ihrem „Koch“. Lächerlich. Koch! Letztes Jahr schleppte Mutter ständig ihren „Leibarzt“ herum, Jahre zuvor ihren „Installateur“ und früher wars gar ihr „Frauenarzt“.
Weißt du, ab einem bestimmten Alter habe ich aufgehört, mich zu fragen, warum mir ununterbrochen solch Scheiße passiert. Ich habs jetzt akzeptiert, ja, ich habe sogar enorme Fähigkeiten in den Bereichen Krisenmanagement und Konfliktbewältigung erlangt.
Nachdem ich zwei große Bier mit Eiswürfeln völlig überhastet getrunken hatte und nun langsam wieder normal zu denken begann, konnte ich die Lage besser überblicken. Die drei Stammcrewmitglieder und die drei Neuankömmlinge saßen sich schweigsam gegenüber und sahen sich an, als würden sie bald in einer Arena gegeneinander auf Leben und Tod kämpfen müssen.
Ich als Skipper ergriff das Wort: „Also laßt uns mal zusammenfassen. Wir sind auf einer Segelyacht mit sechs Kojen, auf der Crewliste stehen fünf Menschen, anwesend jedoch sind sieben Personen. Das ist Scheiße.“ Ich schlug der Nachbarin und meiner Mutter vor, sich ein Zimmer zu nehmen, ein paar schöne Tage auf Mykonos zu verbringen und dann per Fähre in Athen am Flughafen wieder zu uns zu stoßen. Ich erklärte, daß sich eine Segelyacht nicht mit einem Ausflugsboot vergleichen läßt und wenn das Wetter nicht mitspielt, dann kanns ziemlich ruppig hergehen. Die Nachbarin und meine Mutter waren noch nie zuvor gesegelt und eines hielt ich gleich für alle fest: jeder, der seekrank werden würde, würde schon allein aus Sicherheitsgründen am Scheißhaus eingesperrt werden.
Das Pech jedoch ließ nicht ab von mir. Meine Vorschläge wurden sofort als Käse abgetan. Ich bekam eine mütterliche Predigt zu hören. Meine Mutter natürlich würde mitfahren, keine Frage, wisse ich denn nicht mehr, wie sie damals nach dem Krieg nach Europa gekommen war und von wem ich eigentlich die Seefahrt in die Wiege gelegt bekommen habe. Sie sei zwar steinalt, aber noch lange nicht tot und die Nachbarin würde sich schon um sie kümmern, ja, sie würden sich gegenseitig helfen. Und sowieso würde auch Jorge bleiben, denn er hieß Jorge de Jesus Vallenato, „de Jesus“ bitteschön, und das müsse ja wohl Glück und Segen für die Reise bringen. Außerdem könne er hervorragend kochen.
„Ja klar. Genauso wie dein Installateur Rohre verlegen konnte.“, sagte ich und erntete unter dem Tisch einen Fußtritt. Ein Crewmitglied wagte es zu lachen, verstummte jedoch auf der Stelle als er einen tödlichen Blick meiner Mutter erntete.
„Nun zur Kojenaufteilung.“, fuhr ich schicksalsergeben fort, „Die Nachbarin und du, Mutter, ihr geht in die Bugkajüte, Jesus schläft im Freien und der Rest teilt sich die hinteren Kajüten auf. Alles klar?“
Nein, natürlich nichts klar. Meine Mutter untergrub meine Autorität und legte folgendes fest: Jesus und Mutter in der Bugkajüte, sie brauche natürlich ihren Koch, der sich stets um ihr leibliches Wohlergehen sorgen würde, ständig bei sich, die Nachbarin käme mit mir in eine Kajüte, der Rest könne sich nach Belieben verteilen.
„Seerecht ist oberstes Gesetzt an Bord und ich bin die Exekutivgewalt, verdammt! Und ich sage: ich schlafe oben, ALLEIN, und was der Rest von euch macht, wo wer schläft oder nicht schläft, ist mir wurscht! Das ist mein letztes Wort!“, donnerte ich und ging kacken.
Danach ging alles leichter. Wir tranken ein paar Flaschen Wein, begannen uns zu entspannen, uns zu verstehen. Ich stellte mit Freude fest, daß Jesus ziemlich trinkfest und, obwohl wenig gesprächig, äußerst lustig war. Zu späterer Stunde begann Jesus sogar eine kleine Schlägerei mit einem Stammcrewmitglied. Was hab ich doch gelacht, damals auf Mykonos!
Ja, wir waren ein tolles Team, eine tolle Crew! Wir würden alle Herausforderungen, die Poseidon uns entgegenspieh, mit Bravour meistern!

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Ich aas soeben:
7 Stück Geheimratskäse?
1 Flasche Rose

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Törnbericht Kykladen 2009 – Teil VI – Shit, shit, shit!

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In den Kommentaren des letzten Beitrages habe ich mit lizzy alternative Enden ausgearbeitet. Doch sie alle wären nicht so schlimm, wie das, was tatsächlich passiert ist. So geht es weiter:

Während des ohnehin schwierigen Anlegemanövers im neuen Hafen von Mykonos wurde ich abgelenkt.
„Maaaatlaaaaa! Uhuuuuuuu!“, hörte ich von der Mole zugerufen.
Es war die Nachbarin. Wie geplant. Doch standen neben ihr zwei weitere Menschen, die ich nicht erwartet hatte. Meine Mutter und ein kleiner dunkler Typ mit Sonnenbrille, Schnauzbart, Strohhut und Unterleiberl übern Bierbauch. Ich konnte es nicht fassen.
„Sag mal bist du verrückt? Du kannst doch nicht irgendwelche Leute mitanschleppen!!“, plärrte ich der Nachbarin quer über das Hafenbecken entgegen.
„Zwei Meter!“, rief ein Crewmitglied.
„Ich bin nicht ‚irgendwelche Leute‘, Augustin Matla!“, schrie meine Mutter mit leicht flatternden Augenlidern und klopfte angespannt mit dem Fuß auf den Asphalt.
„Ein Meter!“, rief bereits etwas nervös das Crewmitglied, dem ich angeordnet hatte, mir den Abstand zur Mole zuzurufen.
„Shiiiiiiiiiiit!“, kreischte ich und gab volle Kraft zurück. Fast hätte ich im heißen Dampf der kochenden Emotionen die Scheißmole übersehen.
„Überraaaaschuuuung, Matla!“, johlte die Nachbarin inmitten einer immer größerwerdenden Menschenansammlung aus anderen Seglern und griechischen Eingeborenen, die interessiert das Hafenkino genossen.
„Shit! Shit! Shit!!! Wir hauen ab! So! Wir fahren wieder! So! Alles zurück! Wir fahren wieder! So! Schluß!“, entschied ich polternd. Sollten die drei doch auf der Mole verrecken! Wer war eigentlich der Gartenzwerg neben meiner Mutter? Ich zeigte ihnen den Mittelfinger, zuerst mit der einen Hand, danach mit der anderen Hand, dann mit beiden Händen und drehte ab.
Nur das Gutzureden der Crew ließ mich dann doch noch umdenken. Alles halb so schlimm, es ist doch deine Mutter, sieht doch eh nett aus und so weiter. Ich zog mein T-Shirt etwas über den Kopf und zündete mir im Windschatten zwischen Stoff und Haut eine Zigarette an – nur so gehts an Deck.
Also gut. Ich konzentrierte mich, so gut es ging, auf das Anlegemanöver, beachtete die Schreie und Drohgebärden der wutentbrannten Nachbarin und meiner Mutter nicht weiters, und ging, nicht chaotischer als sonst auch, längsseits an die Mole.
Nach Beendigung des Anlegetreibens flüsterte ich rasch meinen Freunden zu: „Lenkt sie ab. Ich komm gleich“ und verzog mich unter Deck. Während ich ein paar gekünstelte Begrüßungsfloskeln von oben hörte („Willkommen, hähähä.“), schnappte ich mir die offenen Flasche Weißwein und zog mir ordentlich was rein. Machte noch ein paar Züge an der Tschick, überlegte angestrengt, wer der kleine Dunkelhäutige sein könnte, ob ich schon einmal gesehen hatte, und stapfte wankend wieder nach oben.
„Wie schön, euch zu sehen!“, rief ich den drei Neuankömmlingen freudestrahlend entgegen und öffnete meine Arme wie Jesus, der die Aussätzigen segnen wollte. Ich stieg über die Reling an Land und begrüßte zunächst einmal Mutter. Kuß auf die linke Wange, Kuß auf die rechte Wange und ins Ohr geflüstert: „Wer ist der kleine Scheißer?“. Als Antwort erhielt ich von ihr einen leichten Fauststoß in den Magen. Mmmpf.
Dann begrüßte ich meine Nachbarin mit einem Handschlag. Verachtung und Tod sprühten mir aus ihren Augen entgegen.
„Sag mal, wolltest du jetzt wirklich wieder wegfahren?“, grollte sie.
„Nein nein. Natürlich nicht. Weißt du, ich wollte mich nur für die tolle Überraschung revanchieren und dich ein bißchen schrecken. Ist mir wohl gelungen. Hähä.“, antwortete ich.
„Okay.“, sagte die Nachbarin erleichtert, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab mir einen Kuß.
Ich wischte mir den Mund mit den verdreckten Hemdsärmeln ab und ging zu dem Gartenzwerg, den ich noch nie im Leben gesehen hatte. „Und wer bist du vielleicht?“
Er sah mich nur an.
„Habla español! Él no entiende el alemán.“, fiel meine Mutter ein, „Se trata de Jorge, Mexicano. Él es mi cocina.“
Übersetzt: „Sprich Spanisch! Er versteht kein Deutsch… Das ist Jorge, Mexikaner. Er ist mein Koch.“
Es war noch immer ziemlich heiß, ich war müde und hatte Hunger. Ich konnte diese Situation nicht mehr mit vollem Bewußtsein nachvollziehen.
„Aha. Gut. Schmeißt eure Sachen aufs Boot und gehen wir was trinken. Dann können wir alles besprechen. Das Boot und wie alles geht und wer wo schläft und wer wieder nach Hause fliegt. Und wen wir nach Mexiko in die Wüste jagen.“, sagte ich leicht benommen, hockte mich derweilen unter eine schattige Palme und versetzte mein Gehirn auf Standby, während sich die Menschenmenge wieder auflöste.

Kommen sie wieder und versäumen sie nicht die nächste Ausgabe dieses Törnberichts.

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Törnbericht Kykladen 2009 – Teil V – Das Unheil beginnt

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4. Tag Syros – Mykonos:
Nach einem herrlichen Abend in Phoinikos und einer Nacht mit Tiefschlaf an Bord, gingen wir am Morgen gemütlich frühstücken und besorgten neue Vorräte. Dann legten wir gegen 9:00 gemütlich ab und fuhren Richtung Mykonos.

Hier ein Foto des Plotters kurz nach dem Ablegen von Phoinikos:

Gemütlich segelten wir den Vormittag hinein. Der Nordwind der letzten Tage war inzwischen wesentlich schwächer geworden und so konnten wir ganz entspannt auf Mykonos zuhalten.
Mittags suchten wir uns irgendwo eine Badebucht. Da wir ausreichend Zeit hatten, beschlossen wir einige Stunden in dieser herrlichen Bucht zu bleiben. Baden, die Gegend erkunden, Sandwiches futtern. Wir waren allein in der Bucht. Erst später gesellten sich ein kleines Motorboot und ein Fischkutter dazu.
Ich kletterte mit einem Kumpel auf den nächsten Hügel und genoß den kühlenden Wind und die herrliche Aussicht. Hier machte er einige Fotos:

Unsere herrliche Badebucht mit der kleinen ArtemisDie Artemis in der Bucht vor AnkerGegen drei Uhr brachen wir auf. Die Nachbarin würde ungefähr um 19:00 Uhr im neuen Hafen von Mykonos ankommen und wir wollten sie gebührend empfangen. Deswegen schmiedeten wir während der Fahrt lauthals lachend Pläne: Girlanden aus Clopapier, selbstgebastelte FPÖ-Plakete mit idiotischen Slogans wie „Landgang für Stuhlgang“, von Haien abgerissene Gliedmaßen, usw. Alles war perfekt geplant. Die Nachbarin würde eine Kajüte für sich bekommen, wir vier würden uns die anderen Kojen teilen.
Die Zeit verging schneller als wir vorgehabt hatten, denn durch Herumblödeln und reichlich Alkoholkonsum verspäteten wir uns etwas . Der neue Hafen von Mykonos Stadt jedoch war leicht auszumachen. Wir fuhren ein und stellten fest, daß er ziemlich belegt war. Es gab zwar noch freie Stellen, aber die sahen alle nach mordsmäßiger Baustelle aus und ich wollte kein Risiko eingehen. Nach einer Ehrenrunde fanden wir ein letztes freies Plätzchen, das halbwegs sicher aussah. Es war nicht ganz einfach dort anzulegen. Ich erteilte schnell Befehle an die besoffene Crew und konzentrierte mich auf das Anlegemanöver. Mitten drin wurde ich plötzlich abgelenkt. Mir war als würde ich meinen Namen rufen hören. Ich blickte mich um.
Und nun beginnt der traurige Teil dieses Törnberichts. Ich erblickte die Nachbarin, die mir springend zuwinkte. Neben ihr standen zwei weitere Personen.

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Mir wird schlecht, wenn ich daran denke, und trotzdem aas ich:
1 Bier
1 Chips
1 Haufen selbstgemachter Palatschinken von Tante Fanny
1 Glas Marmelade von Mutter, der ich noch nicht verziehen habe

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Törnbericht Kykladen 2009 – Teil IV

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3. Tag Kythnos – Syros:
Früh des Morgens holten wir nach einer Runde Schwimmen den Anker ein und verließen die Bucht Stephanou auf Kythnos. So schnell wie möglich setzten wir die Segel – die Stärke des Windes lag noch immer bei 20 bis 25 Knoten. Mit Kurs Ost brausten wir Richtung Syros, Wind und Welle kamen von Backbord querab. Zuerst segelten wir nur mit Genua, doch ging der Wind auf 5 Beaufort zurück und so setzten wir auch wieder das Großsegel. Ich brauchte nicht lange Zeit, um in den Rhythmus der Wellen zu kommen. Anluven, abfallen, anluven, abfallen. Dieses Dahin auf den Wellen hatte regelrecht hypnotisierende Wirkung auf mich. Es war wie Meditation. Die Crew hing entspannt an Deck herum, schmierte sich mit Sonnenmilch ein und genoß die hängenmattenähnliche Schaukelei.
Doch jäh wurden wir aus unserer Eintracht gerissen. Ein Minikaventsmann überrollte unsere Artemis und mit einem Schlag waren wir alle von Kopf bis Fuß plitschnass! Wir schreckten auf, sahen uns etwas dämlich an und begannen ausgelassen zu lachen! Schön ist es am Meer!
Die nassen Sachen ließen uns jedoch im Wind schnell frieren und deshalb zogen wir einfach alles aus und schmissen es durch den Niedergang unter Deck. Ein paar Minuten fuhren wir einfach nackt weiter und ließen uns lufttrocknen, bis einer nach dem anderen sich frische Sachen aus seiner Kajüte holte und wieder Position an Deck bezog.
Für die Insel Syros hatten wir uns auf den Hafen Phoinikos geeinigt. Wir entschieden uns gegen Ermoupolis, der Hauptstadt von Syros, weil der dortige Hafen von Abwässern verschmutzt sein soll. In Phoinikos hatten wir Glück, wir ergatterten den letzten freien Platz. Die dortigen Segler berichteten uns, daß der Hafen schon seit Tagen, seit Zunahme des Windes, praktisch voll belegt sei. Sie wollten auf einen günstigeren Wind warten, um wieder loszufahren. Wir erkundigten uns nach den Kosten, doch stellten wir mit Erstaunen fest, daß in diesem Hafen Strom und Wasser für die Schiffe gratis war. Immer mehr wurde uns klar, daß Griechen nicht geldgierig waren. Oder schlechte Geschäftsleute.
Wir waren froh, an Land gehen zu können und machten einen kleinen Rundgang in dem kleinen Städtchen, checkten gleichzeitig Versorgungsmöglichkeiten für den nächsten Morgen.
Wir konnten nicht ahnen, daß bald, sehr bald, unser friedliches Dahinleben ein Ende haben sollte. Unser Schicksal würde ein hartes sein.

Blick auf den Hafen von Phoinikos (obere Bildmitte) – man sieht die Hafeneinfahrtsfeuer:

Diese seltsame Betonplattform versaut jedenfalls den ganzen Strand. Aber dafür stimmt endlich das Datum auf dem Foto.

>> weiter zu Teil V des Törnberichts

Heute aas ich:
1 Lappen Toastbrot
1 Apfel

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Törnbericht Kykladen 2009 – Teil III

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So sah das also am zweiten Tag aus. Klicke auf das Bild, dann wirds groß. Ich kann mit meinen altersschwachen Augen nicht erkennen, ob man da das fliegende Wasser sieht.

Wir versuchten mit dem zweiten Reff und gereffter Genua Richtung Kea zu segeln. Das war das eigentliche Tagesziel,  ging aber nicht. Wir konnten maximal am halben Wind segeln. Ich habe herumexperimentiert, mit den Holepunkten der Genua, mit dem Traveller, mit den diversen Liekspannern, möglichst flache Segelprofile, wenig Twist. Ich habe lange verschiedene Möglichkeiten versucht, manchmal gings besser, dann kam wieder eine Böe, da war selbst das zweite Reff zuviel. Wegen der Kotzerei wurde ich auch bald müde und die Crew war sowieso schon in der Versenkung des Selbstmitleids verschwunden. Ich holte also das Großsegel ein und fuhr nur mehr mit gereffter Genua – ist zwar nicht die feine englische Art, aber zumindest beanspruchte es mich nicht so sehr. Ich sah zu, den Kurs auf die Südspitze von Kithnos halten zu können.
Irgendwann am späten Nachmittag hatten wir dann das Südkap von Kithnos erreicht. Ich holte die Genua ein und startete den Motor. Nach so einem Tag ist es für mich in Ordnung ohne Segel zu fahren. Gegen Wind und Welle hopsten wir in die Bucht Stephanou. Laut Seekarten eine große Bucht mit gutem Ankergrund.
Kaum in der Bucht, sah das ganze schon freundlicher aus. Hier war der Wind wesentlich schwächer und die Sonne wärmte wieder unsere frierenden Gebeine. Wir stoppten auf, fuhren den Anker gut ein und ließen fast die ganze Kette raus. Ich wollte heute Nacht schließlich mit ruhigem Gewissen schlafen und Magensäfte sammeln.
Mit dem Beiboot machten wir noch einen kurzen Ausflug an den einsamen Strand und wanderten im Sonnenuntergang etwas in den Hügeln herum. Wir trafen einen Hirten, der auf seinem Esel herumritt und ein Liedchen trällerte. Bevor die Dunkelheit die Insel völlig gefangennahm, verzogen wir uns wieder aufs Boot und dann bald in unsere Kojen.
Leider wurde die Nacht nicht so ruhig, wie ich hoffte. Fast genau um Mitternacht wurde ich wach, weil der Wind heftig im Rigg zu singen begann. Schicksalsergeben zog ich mein Ölzeug an, schnappte mir Polster und Decke und schleppte mich an Deck. Stellte Sprayhood und Bimini auf, und hielt halb dösend und halb wach Ankerwache.
Zum ersten Mal seit langer Zeit konnte ich hier auf Kithnos wieder die Milchstraße am Sternenhimmel erkennen. Und das, obwohl der Wind richtig unheimlich klang, wie er so durch das Rigg pfiff. Ja,  der Meltemi macht das Segeln manchmal etwas ungemütlich, doch nirgends sonstwo hast du wegen seiner reinigenden Kraft so einen blauen Himmel und so viele Sterne.
In der Bucht Stephanou vor Anker:
Klick klick

PS: wundere dich nicht über das falsche Datum auf den Fotos – es war in der Kamera einfach nicht richtig eingfestellt.

>> weiter zu Teil IV dieses Törnberichts

Ich aas nun in Erinnerungen schwelgend:
1 Apfel
1 Käse
1 Käse
1 Brot

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