Manuskriptische Unternehmung

Pfuh, vier Kommentare! Manche Menschen überraschen einen immer wieder mit ihrer Zwangsneurose! Lasst euch von jemandem helfen… aber apropos „den digitalen Löffel abgeben“: bevor ich das tue, werde ich euch mein Vermächtnis offenbaren! Ein Vermächtnis der Niedertracht und des Ekels! Mein Geschenk an die Menschheit… bzw. an meine beiden Leser. Ins Gesicht spucken werde ich euch damit! Ins Gehirn scheißen! Alle Landstriche mit Kotze überziehen! Oh du Erbrechen überall!
Vor schon fast zehn Jahren nämlich habe ich ein Manuskript erstellt. Ein Manuskript über mein Leben… lächerlich eigentlich, aber es wäre trotzdem wirklich tatsächlich echt vom Milena-Verlag veröffentlicht worden… wenn ich es… ja, fertig gestellt hätte… war schon im Gespräch… aber das letzte, was ich zu hören bekam, war:
„Das ist doch gar nicht mehr so viel Arbeit, Matla!“
Und da ergriff ich die Flucht… is so! Wenn ich das Wort „Arbeit“ nur irgendwo erahne, rieche, werde ich schon misstrauisch… ist so eine Art angeborener Reflex bei mir. Arbeit bedeutet immer, dass du freiwillig in ein Hamsterrad kriechst, aus dem du nicht mehr so schnell herauskommst. Nein danke!
Aber all das, was ich bereits geschrieben habe, könnte man auch als „Arbeit“ sehen… auch wenn es mehr ein therapeutisches, psychisch heilsames Herauswürgen war… nächtelanges Festhalten der eindrücklichen Ereignisse, des Grauens, des Erinnerns, des Vergessens, Verdrängens…
Damit mir aus dieser „Arbeit“, aus diesem Geschreibsel kein Hamsterrad entsteht, keine Falle gestellt werden kann, wird alles hier in diesem Misthaufenblog nach und nach und Kapitel für Kapitel veröffentlicht. Demächst beginnen wir damit!

Ich aas:
1 Glas Sardinen in Öl

» Teil 2

Montagmorgenerleuchtung

Um darauf zurückzukommen, was Dr. Sowieso nach dem Scheißmontagdialog gesagt hat:
„Und genau deshalb habe ich Sie mitgenommen, Matla. Weil Ihnen die Menschen egal sind… bzw. weil Sie sie hassen. Sehen Sie, ich muss in den nächsten Tagen einige unangenehme Gespräche führen und Ihre Aufgabe dabei ist, neben  mir zu stehen.“
„Na gut.“
„Ja. Sie sind so ein Mensch, von dem man glaubt, wenn man ihn nicht näher kennt, dass er eine Autorität ist… ein… ein unerschütterlicher Character, mit dem man sich lieber nicht anlegt. Verstehen Sie? Weil alles, was Menschen tun oder sagen, an Ihnen einfach spurlos vorübergeht. Ich meine, wir, die wir Sie kennen, wissen, dass Sie eine Null sind… ein Verlierer… dass Sie keine Aufgabe, die Sie bekommen, in einem angemessenen Zeitrahmen erledigen können… und schon gar nicht vollständig… Sie sind der Alptraum eines jeden Arbeitgebers… aber die nächsten Tage werden Sie das machen, was Sie am besten können: herumstehen und nichts tun. Können Sie damit leben? Ist das OK für Sie?“
„Absolut! Fangen wir gleich damit an!“
Dann kuschelte ich mich an diesem grauenhaften Montag, der so mies begonnen hatte, in den Beifahrersitz und machte ein Schläfchen. Tief und friedlich. Endlich einer, der mich verstand.

Ich aas:
1 Croissant mit Schinken und Käse

Montagmorgenerleuchtung

Die schiefrige Knödelrettung

Der Eingewöhnungstag gestern in der neuen Anstalt war eine Marter! Beinahe vier Stunden saß ich wie das letzte Arschloch in diesem irrsinnig hellen Raum… ich war dem Wahnsinn nahe! Bis ich nach einer halben Stunde erkannte, dass der blendendweiße Würfel neben mir ein kleiner Schrank war. Ich öffnete die oberste Lade und entdeckte einen Bleistift – zu meiner Erleichterung war es kein weißer Buntstift, sondern, nein wirklich, ein echter Bleistift. Mit einer schön dunklen, schiefrigglänzenden Miene.
In meiner Not – das endlose, konturlose Weiß in diesem Raum war die Hölle! – begann ich die Wand neben mir zu bekritzeln. Einfach nur mit einem unscheinbaren grauen Knödel… war das eine Wohltat! Dieses kleine graue Knödel, das den Grauen in Weiß einfach durchbrach! So mächtig können kleine Knödel sein! Alle Macht den Bleistiftknödeln!
Lange saß ich dann an meinem Tisch und starrte ununterbrochen auf das liebe kleine Knöderl links von mir an der Wand.

Heute kämpfe ich mit einem steifen Rücken. Ich befürchte, das kommt vom Nachlinksschauen.

Ich aas:
1 Kornspitz mit EKG

Die schiefrige Knödelrettung

Genieschenierer

Musste ich mir gestern doch vorwerfen lassen, ich hätte keinen Schenierer!
Ein paar Typen hatten mich in ein Fitnesscenter mitgeschleift, weil sie meinten, das wäre gut gegen die Depressionen und gegen Rückenschmerzen – und bei leichtem Leberschaden auch hilfreich. Ich bin ja eher der Mensch, der nach dem Motto „never touch a running system“ lebt. Was bisher funktioniert hat, wird auch weiterhin funktionieren. Und wenn ich seit vierzig Jahren keinen Sport treibe und plötzlich damit anfange, könnte das mein System zum Kollabieren bringen! Deshalb habe ich es gestern im Fitneßcenter auch nicht übertrieben und bin die meiste Zeit über locker lässig mit einer Flasche Bier an der Bar gestanden.
Nach dem Training jedenfalls gingen wir duschen… normalerweise bin ich nicht so der Duscher, aber um des Friedens Willen… es war grauenhaft: all die fetten Ärsche und verschwitzten Wampen der alten Säcke zu sehen!
Danach zogen wir uns an. Auf einmal rief eine Putzfrau von draußen rein, ob sie schnell hereinkommen und trockenwischen dürfe. „Na klar!“, riefen alle im Chor. Schließlich waren wir alle ja schon zu mindestens fünfzig Prozent bekleidet. Mit einem Unterschied nur: alle hatten zumindest ihre Hosen und ein Oberteil an. Ich hatte nur Socken, Unterleibchen und Hemd an. Die Putzfrau verdrehte die Augen und einer meinte: „Jetzt fehlt nur noch, dass du dir die Schuhe und die Jacke anziehst, bevor du dir die Unterhose drüberziehst, du Genie. Keinen Schenierer hat er nicht!“

Ich aas:
1 Käseleberkäsesemmel mit Senf

NADA Run

Ha! Ich bleibe verschont! Denn: wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Dank meiner Blog-Stalkerin und fleißigen Kommentatorin knofl (du blöde Sau) habe ich gestern alle meine grauen Zellen – nach einem kräftigen Schluck Sturm – in torkelnde Bewegung gesetzt, um nicht bei diesem Business Run mitrennen zu müssen. Du wirst das verstehen, wenn du ihren Kommentar liest: knofl Kommentar (wertlos wie immer) .
Auf die rettende Idee brachte mich sogar der Anstaltschef selbst, der mir eine Email mit Informationen zur Teilnahme schickte. In dieser Email war ein Link auf eine „NADA-Liste der verbotenen Stoffe“ enthalten. Als ich den sah, musste ich lachen. Während ich noch auf den Link klickte, rief ich schon den Anstaltschef an:
„Hearst, des wird nix!“
Ich erklärte ihm, dass ich ununterbrochen mit mindestens drei dieser verbotenen Stoffe bis oben hin vollgepumpt bin, um nicht zusammenzubrechen und wahnsinnig zu werden.
„Und, stell dir vor, wenn die Presse davon Wind bekommt! Extrem negative Werbung für deine Anstalt!“
„Dann sag‘ eben keinem davon!“
„Was is‘, wenn ich einem anderen Läufer ins Genick kotze und er dann von seinen eigenen Ohren überholt wird?“
Der Anstaltschef sah das irgendwo ein.

Also knofl. Steck‘ dir den Daumen in den Arsch und pfeif‘ ein Liedchen. Du wirst mich niemals zu Gesicht bekommen. Haha!

Ich aas:
1 Portion chinesisches Futter (sicherlich aus einer Tierverwertungsfabrik) – gesponsort von der Nachbarin.

Zombiekrikri

Ich wandle etwas verloren in der Wohnung herum. Taste mich von Wand zu Wand, suche nach dem Ausweg. War wohl zu lange auf Kreta.

Auf Kreta jedenfalls stammelte ich eines Tages auf den Felsen herum. Eigentlich ohne Ziel, wollte nur sehen, was los ist. Dazwischen fand ich plötzlich ein verendedes Kri-kri. Zahllose Fliegen schwirrten herum, Getier kroch auf und in der toten Wildziege. Ich hockte mich neben das Ding und beobachtete das Getümmel. Stellenweise sah man schon den Schädelknochen durch das fleißig abgetragene Fleisch, das leblose Auge würde wohl bald nicht mehr in den Himmel schauen. Ich nahm einen Ast und stocherte etwas lustlos an dem Kadaver herum. Auf einmal begann das tote Kri-kri mit mir zu sprechen:
„Hol mich hier weg, Wandersmann! Nimm mich mit, nimm mich mit in deine Hütte! Zerteile mein Fleisch, räuchere es und iss es! Lass mich nicht hier so verenden, von aasfressendem Getier bis auf die Knochen gequält, stinkend und wertlos!“
„Das geht aber nicht, liebes Kri-kri.“, antwortete ich und erzählte dem toten Tier, von meinem österlichen Krenflash vor zwei Jahren. Damals, als es über mich kam und ich beschloss, kein Fleisch mehr zu essen. Wie ich einerseits zwar durch eifriges mentales Training die ohnehin bereits schwache Tötungshemmung gegenüber Menschen endgültig abbauen konnte, andererseits aber keine Tiere mehr töten konnte. Zuviele Gründe gab es an Menschen, zuwenige bei Tieren. Ich erzählte auch, wie ich heuer, genau zwei Jahre nach Beginn meines Vegetariersdasein, beschloss, damit aufzuhören. Ich hatte es versucht, es würde gehen, doch warum nur das eine? Warum auch nicht das andere? Langsam begann ich wieder Fleisch zu essen, doch mit etwas Grauen und Unsicherheit.
Das Kri-kri antwortete nicht mehr. Ich stupste es mit meinem Ast am Auge, doch es kam keine Reaktion. Ich stand auf von meinem Felsen und ging. Ich wußte nun, was zu tun war. Ich würde zu meinem griechischen Freund, dem Bauern, gehen und ihn um einen letzten Gefallen bitten.

Ich aas:
1 Knackwurst
2 Brote mit Leberstreichwurst und Kren
1 Käse

Die wandelnde Fabrik

Wenn ich auf den Clodeckel steige und aus dem Häuslfenster schaue, liegt sie vor mir, die alte Fabrik. Sie ist nicht groß, nur eingeschossig, schönbrunngelb, ein schmaler Schornstein, der wie ein hinniger Beidl dahängt, steht einsam darauf. Schon lange ist die Fabrik verlassen, nur mehr Ratten und Katzen verrichten darin ihr Geschäft.
Sooft ich am Clodeckel stehe, mit letztem Atem das Fenster aufreisse und gierig die Frischluft einsauge, ist die alte Fabrik für mich die letzte Bastion der Menschlichkeit. Dahinter drängen sich bereits die Betonbunker, dicht an dicht, voll Zombies. Näher und näher kommt das Grauen der Zivilisation, will mich erdrücken.
Gestern beobachtete ich einen Herren in Anzug, der zuerst Steine auf die Fenster warf und dann das verschlossene Fabrikstor eintreten wollte. Ich fragte ihn: „Brauchst einen Schlafplatz?“ Er antwortete: „Leck mich.“ Heute klettern auf der alten Fabrik ein paar Bauarbeiter herum, zerlegen das Blechdach, springen nicht grad zimperlich mit dem Gebäude um. Werden sie es niedermachen? Wird mir ein Betonklotz vors Clofenster geknallt?
Man wird sehen. Vielleicht werde ich die Fabrik besetzen, wenn sie mit den Maschinen kommen, vielleicht werden sie mich gar nicht bemerken und vielleicht werde ich mit der Fabrik vergehen.

Ich aas:
1 Brot
1 Liptauer
1 Käse
1 Kronprinz Rudolf

PS: auch mein Bildschirm vergeht.

Geschichten aus der Gruft einer Domina im Blauen Engel

Am Freitag war ich im Jenseits. Ja, du liest richtig. Im Jenseits. Im „Tanzcafe Jenseits„. Eine alte Domina, die ich noch früher kenne, hat dort irgendwas gefeiert – mir wurde den ganzen Abend nicht ganz klar, was – und ein paar Sklaven in das reservierte Hinterzimmer eingeladen. Wie auch früher durften wir sie nur mit „Herrin“ (gesprochen: „Hörrin“) anreden und mußten mit Socken in der Unterhose herumlaufen.
Ich habe mich dort sofort wohlgefühlt. Das „Tanzcafe Jenseits“ erinnerte mich nämlich an eine Bar in Berlin, in der ich in den späten 30er Jahren Kellner war. Damals war diese Bar ein angesagter Treffpunkt für niedere Soldaten, die aber gutes Trinkgeld gaben, und leichte Mädchen. Rotes düsteres Licht, alle Möbel mit dickem purpurnen Samt überzogen, dicke Rauchschwaden zogen durch das Lokal und Soldaten, die Akkordeon spielen konnten, waren der Mittelpunkt des Geschehens. Naja, das war in einem anderen Leben.
Am Freitag jedenfalls lernte ich ganz zufällig an der Bar im „Tanzcafe Jenseits“ eine Frau kennen, die einen schwarzen Ledermantel trug und einen riesigen Hut tief ins Gesicht gezogen hatte. Ich wollte eigentlich nur ein Biertschi bestellen und mich gleich wieder im reservierten Hinterzimmer unter dem Rock der Domina verkriechen, aber die Frau sah mich ständig an – ich spüre so etwas. Leider dauerte die Bestellung sehr lange. Mir wurde von ihren Blicken so unwohl, daß ich sie schließlich fragen mußte, was mit ihr los sei. So kamen wir ins Gespräch und zuletzt fragte sie mich, ob ich mit ihr mitgehen wolle. Ich merkte gleich, daß sie nicht ganz dicht war und sagte ja.

Ich esse während es mich regelmäßig vor Grauen und Ekel abbeitelt hier in der Cantina des Rattenlocherls ein dreigängiges Luxusmenü:
1 Grießnockerlsupperl
1 Frankfurter mit Senf und Tomatenmatsch
1 Kleiner Brauner