Weg IV

(Inhaltsverzeichnis)

Die Sonne ging auf und das Meer beruhigte sich, der Wind hatte sich verzogen. Onkel Ramón stand am Steuer, völlig erschöpft, er sah um zwanzig Jahre älter aus. Die ganze Größe, die er normalerweise in Gegenwart seiner Geschäftspartner und Kunden ausstrahlte, war dahin. Ich fragte ihn, warum er das überhaupt machte. Warum segelte er überhaupt?
„Weißt du, Augusto, das ist die letzte Herausforderung für einen Mann. Der Kampf gegen die Elemente. Hier am Meer, in einer Puta von einer Nussschale. Ob du lebst oder stirbst, das spielt keine Rolle. Wichtig ist der Kampf, den du niemals verlieren darfst. Der ewige Krieg, den du niemals aufgeben darfst.“ Kitschig. Das leuchtete mir ein.
Am Nachmittag saßen wir in einer Hafenbar, wir hatten etwas geschlafen. Ich weiß nicht mehr, welcher Hafen das war. Onkel Ramón hatte wieder Farbe im Gesicht und ich fühlte mich wie neugeboren. Was für eine Erfahrung, was für ein Abenteuer! Bei einem Glas Ouzo fragte er mich: „Hast du deinen Großbaum schon mal in eine Puta gesteckt, Augusto?“ „No.“ „Wie alt bist du?“ „Fünfzehn.“ Onkel Ramón murmelte Unverständliches in sich hinein, stand auf und wankte zu den Barmädchen. Er sagte etwas zu ihnen und hielt ihnen ein paar große Scheine unter die Nase. Alle gingen mit finstrer Miene davon – bis auf eine, die nahm die Kohle. Onkel Ramón kam wieder auf seinen Platz, schlug mir kräftig auf den Rücken und sagte zu mir nur: „Ich komme gleich, huevón.“
Ich blieb schulterzuckend an der Bar zurück. Die Barfrau, die die Scheine genommen hatte, kam zu mir, lächelte und mischte mir einen kräftigen Drink. Was sie sagte, verstand ich nicht. Scheißgriechisch. Sie bedeutete mir, schnell zu trinken und mixte mir noch einen. Grausiges Gesöff, mir war schon ziemlich schwindelig. Sie sagte dann so etwas wie: „You are beautiful.“ Ich verstand zwar nicht viel Englisch, ich hasste diese Sprache, doch zumindest einige Grundlagen konnten sie selbst mir in der Schule beibringen. „Äh, you too.“, brachte ich nur hervor und trank den Rest des Glases in einem Zuge aus. Lächerlich, reicher Onkel zahlt Neffen den ersten Fick.
Puta! Was die mit mir anstellte, unfassbar, es war mir einfach zu viel auf einmal, beinahe ein Schock.
Zwei Tage später flog ich schon nach Hause und Ramón sagte, sollte ich einmal einen Job brauchen, solle ich mich einfach melden.
Ich wusste nur, dass das Mädchen Maria hieß. So wie alle Barmädchen damals in Griechenland auch, wie mir schien.

Weg III

(Inhaltsverzeichnis)

Fast die ganzen Sommerferien blieb ich bei Onkel Ramón. Er erledigte seine Geschäfte und mich nahm er dabei mit. Wir fuhren durch halb Griechenland und schliefen jede Nacht in einem anderen Hotel. Tagsüber besuchte er Leute, während ich um den Wagen herumschlich und solange Steine nach dem Chauffeur warf, bis er mir nachlief. Abends gingen wir essen und danach in eine Bar. Wir saßen dann am Tresen und Onkel Ramón erzählte mir unverständliche Dinge aus seiner Kindheit in America Latina. Zwischendurch fragte er mich manchmal Sachen wie „Wie geht’s deiner Mutter, dieser Puta?“ oder „Was treibt deine Mutter, diese Puta, eigentlich den ganzen Sommer?“. Manchmal sprachen wir auch über andere Putas. „Gefällt dir diese geile Puta, Augusto?“ „Si, Onkel Ramón, geile Puta.“
In der letzten Woche meiner Sommerferien nahm mich Onkel Ramón auf seine Segelyacht mit. Ein Traum wurde wahr. Lange saß ich wohl mit offenem Munde herum und staunte über diese unendliche Flachheit der Welt. Mein Leben lang erdrückt von den Schatten der Berge und hier war einfach alles flach, flach und nochmal flach! Die Hitze außerdem brannte mir die Kälte aus den Knochen heraus.
Gezeichnet hatte ich ja schon genug Boote und nun endlich war ich selbst auf einem. Fasziniert ließ ich mir von Onkel Ramón alles erklären. Tatsächlich hatte jedes Seil, seemännisch Tau genannt, eine eigene Bedeutung! Wissbegierig beobachtete ich die Wirkung des Windes, das Spiel des Lichts auf den Wellen, die Farbe des Meeres, sog jede Einzelheit in mich auf. Onkel Ramón teilte mich auch ganz schön ein. Wir waren nur zu zweit am Boot und er brauchte meine Mitarbeit.
Am dritten Segelabend ankerten wir in einer Bucht, doch der Anker hielt nicht und wir wurden aufs Meer hinausgetrieben. Onkel Ramón, der schon einiges getrunken hatte, sagte nur: „So eine verdammte Puta von einem Anker!“ Er wollte das kleine Missgeschick gleich nutzen und eine spontane Nachtfahrt machen. Er hob das Glas, prostete den aufziehenden Wolken zu, schrie dabei ein inniges „Putaaaaa!“ und hoffte auf wohlgesinntes Wetter. Doch das Wetter spielte nicht ganz mit. Starker Wind kam auf und die Wellen marterten das Boot. Ich merkte, dass Onkel Ramón sich Sorgen machte und deshalb immer mehr zu trinken begann. Er hielt sich jedoch wacker am Steuerrad, wurde von den überkommenden Wellen gepeitscht und fluchte: „Puta Wetter, Puta verdammte!“
Und ich jauchzte! Noch nie in meinem Leben fühlte ich mich derart lebendig. Ich dachte, wir stünden am Abgrund zur Hölle, würden jeden Moment abkratzen, ersaufen, wie zuhause die kleinen unerwünschten Kätzchen im Fluss ertränkt wurden, und das gab mir Freude, Energie und noch nie dagewesene Lust auf Leben! Ich wusste eines nun mit Sicherheit. Sollte ich diesen Sturm überleben, wollte ich unbedingt selbst Skipper werden. Ich wollte selbst die Kontrolle über solch ein Gefährt haben und selbst gegen Wind und Wetter antreten!

Weg!

(Inhaltsverzeichnis)

Dieses katholische Gymnasium interessierte mich eigentlich überhaupt nicht. Wusste einfach nicht, was ich mit dem ganzen Krempel, den sie da Tag für Tag auf mich einredeten, anstellen sollte. Ich zeichnete viel lieber Comics, die von den verrückten Lehrern handelten. Die Geschichten waren bei meinen Mitschülern sehr beliebt und mir gaben sie Gelegenheit, meine Gedanken aus dem Käfig zu lassen.
Nur die Ferien verbrachte ich zuhause in den Bergen. War auch nie sehr lustig, denn Freunde hatte ich dort keine mehr. Mit fünfzehn, glaube ich, war‘s, als Mutter mich den Sommer über nach Griechenland schickte. Auf einmal erzählte sie mir etwas von einem Bruder, den sie in Athen hatte, meinem Onkel Ramón. Mutter war nicht gerade begeistert davon, aber Tante war verreist und uns drohte wieder einmal der Verlust unseres Hauses. Mutter hatte kaum für sich selbst genug zu essen und mir war alles andere lieber als in der Wildnis zu verhungern oder dort in der ewigen Scheißkälte zu erfrieren. Onkel Ramón hatte Flugtickets geschickt, ich konnte auf der Stelle aufbrechen. Mutter weinte, tobte, beschwor mich, ja wieder zurückzukommen, ja nicht bei Onkel Ramón zu bleiben, ich war ja noch ein Kind, was sollte sie nur tun. Mutter lief im Kreis. Sie telefonierte lange mit Onkel Ramón, schrie ihn an und wünschte ihn und sowieso die ganze Verwandtschaft zum Teufel. Am nächsten Tag war ich auch schon in Athen.

50 Kilo Status

Ich bin zurück von einem Segeltörn in Griechenland – schon seit zwei Wochen… war bloß gefangen in einem Sumpf wirrer und sinnloser Gedanken.

Wollte mit Vollgas gegen eine Betonwand fahren, nicht geschafft.

Die Nachbarin hat mir mit Scrabble-Buchstaben obszöne Beschimpfungen am Scheißhausboden hinterlassen.

Versuche, in den nächsten Wochen 50 Kilo zuzunehmen… mir ist kalt… lenke mich mit Internetpornovideochat ab.

Ich aas:
2 Sandwich mit Philadelphia, Schinken, Käse, Tomaten, Gurken, Senf, Mayonnaise

???????

Ich bin nicht tot. Noch nicht. War auf Kreta, wollte nichts mehr wissen.

Die erste Zeit war ich auf einem Berg nahe Gerani, lebte im Atem von Land- und Seewind. Das Meer vor Augen hockte ich tagein tagaus unter den Falken, die über mir kreisten, und zwischen den Wildziegen, die stinken, auf einem Felsen und brannte mir die Aussicht ins Gehirn.
Die letzten zwei Wochen verbrachte ich in einer Sutte nahe Pigi, mit den Olivenbäumen, heiß und staubig. Das Erdbeben war etwas Neues.

Bevor der Handybatterie der Saft ausging, schoss ich noch ein Foto. Für euch.

Ich aas:
Retsina, so gut wie Essig
Ziegenkäse, mit Bocksgeschmack
Orangen, Zitronen, Melonen, noch warm von der Sonne

Ohne Geschlecht und trotzdem mit Kipferl

Hier bin ich wieder! Die Stimme des geschlechtslosen Herrschers aus dem Weltall!
Ich betone: geschlechtslos! Mir ist es egal, ob die Nachbarin mit mir redet oder nicht (ich bin dahintergekommen, daß sie ohnehin nur mit mir spricht, wenn sie ihre Tage hat)

Otto hat recht. Es ist Zeit, in See zu stechen. Kurz vorm Kollaps. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich heuer einen oder zwei Segeltörns veranstalte. Einer ist bereits fix. Im Herbst in Griechenland. Die Nachbarin, zwei Mädchen aus der Obenohnebar und ich. Ich betone: geschlechtslos!

Ich aas heute nur Frühstück in der Bäckerei:
1 Melange
1 Kipferl mit Butter

Heimkehr aus Griechenland, Teil 7

Na gut. Erzähle ich halt doch noch weiter.

> hier gehts zu Teil 1 der Heimkehrerstory.

Die Nachbarin kehrten zurück zum Boot in der Marina. Eine letzte Nacht blieben wir noch an Bord und zumindest hatten wir nun nach einer kleinen Odysee durch den griechischen Eisenbahnbehördensumpf zwei Zugfahrkarten, die uns am nächsten Tag von Athen nach Thessaloniki bringen sollten.
An diesem Abend ließen die Crew und wir nichts aus. Alkohol in rauhen Mengen, Gegröle, Gekreische, Gerangel, die Nachbarin verrauchte ihre letzten drei Zigaretten. So verabschiedeten wir uns von der Protheas und wußten, daß uns zuhause der Herbst erwartete. Vor dem Schlafengehen verabschiedeten wir uns noch. Teile der Crew hatten unterschiedliche Flüge gebucht, mußten zu unterschiedlichen Zeiten aus dem Bett.
Als ich am nächsten Morgen aus meiner Kajüte kroch, sah ich nur mehr zwei Leute davonrennen. Sie waren schon spät dran und wollten den Flug nicht verpassen. Ich weckte die Nachbarin. Als sie wach war und auch ein Letzter der Crew heranwankte, schlug ich den beiden vor, nach Athen zu fahren und dort das Frühstück einzunehmen. Von dort aus hatten die Nachbarin und ich nicht mehr weit zum Bahnhof und der Bus zum Flughafen fuhr dort für das Crewmitglied auch ab.
Nach einem griechischen Kaffee und etwas, das wie ein Croissant schmeckte, trennten die Nachbarin und ich uns von dem Seglerkollegen und fuhren zum Bahnhof. Alles war ruhig, wir hatten ja die Fahrkarten schon, es konnte nichts mehr passieren. Nur ab und zu jammerte die Nachbarin, weil sie gerne eine Zigarette rauchen wollte, aber sich ja vorgenommen hatte, nicht mehr rauchen.
Wir waren etwa eine halbe Stunde vor Abfahrt am Bahnhof. In aller Gemütlichkeit spazierten wir durch die Halle. Mir fielen dabei ein paar gutbesuchte Schalter auf der anderen Seite auf, die mir bis jetzt entgangen waren. Über denen stand irgendwas geschrieben wie: „Tickets for departure at same day“ Zuerst dachte ich mir nichts dabei, aber dann tauchte  in mir doch die Frage auf, WARUM es diese Schalter überhaupt gab, wenn man doch 72 Stunden vor Abreise die Fahrkarten kaufen mußte. Mit aller Kraft vertrieb ich diese Gedanken aus meinem Kopf und fragte jemanden, ob der Zug auch pünktlich kam.
Und tatsächlich! Er kam pünktlich! Unser Zug! Er stand vor uns! Plötzlich stürmten alle auf einen Uniformierten zu, der aus dem mittleren der drei Wagons gehüpft war. Angst packte mich! Was war das jetzt wieder? Mußte man um einen Platz kämpfen, wenn man nicht reserviert hatte? Die Nachbarin sprang in das Menschenkneuel und stieß alle zur Seite. Sie zeigte dem Mann ihre Tickets. Der nickte nur und deutete auf den ersten Wagon. Okay, alles klar. Wir konnten einsteigen. Die Leute fragten den Typen nur, wo sie sitzen sollten. Auf jedem Ticket stand nämlich die Wagon- und die Sitzplatznummer. Wir stopften unser Gepäck irgendwohin und nahmen Platz. Wir waren im Zug. Nichts konnte uns jetzt noch in Athen halten. Der Zug fuhr ab.

Und wenn du glaubst, daß das alles war, dann täusch dich nicht. Die Geschichte geht jetzt erst richtig los.

Ich aas so wie gestern:
Lebkuchen, Lebkuchen, Lebkuchen, rot, blau, grün

Das Vielleichtende

Wenn ich daran denke, daß ich vor drei Wochen noch in Griechenland gesegelt und in einer schönen Bucht im warmen Meerwasser herumgeschwommen bin, kommen mir bei diesen Witterungsverhältnissen die Tränen.
Eingesperrt habe ich mich. Trinke griechischen Kaffee, denke an das Schiff und an den Wind und bin jähzornig. Der Winter ist da.

Es hat sich bereits manifestiert, daß ich alle Geschichten, die ich beginne, einfach mittendrin brutalst abbreche. Du erinnerst dich vielleicht an den Törnbericht vom Mai: Törnbericht Kykladen. Nicht fertigerzählt. Auch die griechische Heimfahrerstory werde ich heute nicht fortsetzen. Vielleicht morgen, vielleicht ein andermal. Vielleicht ist auch ein Buch der richtige Ort für solche Geschichten. Man wird sehen. Einstweilen laß uns Lebkuchen fressen:

… wo bleibt das Scheißfoto … kommt nicht daher. Vielleicht bringe ich es nach. Vielleicht auch nicht.

Heimkehr aus Griechenland, Teil 6

> hier gehts zu Teil 1 der Heimkehrerstory.

Am Nachbarschalter tauchte ein Mann mit ängstlichen Augen auf. Er sah ziemlich seriös aus der Typ. Ich zwinkerte ihm aufmunternd zu, während die Nachbarin den besoffenen Griechen anschrie. Er winkte mich hektisch zu sich. Als er mir sagte, daß er uns helfe würde, stupste ich die Nachbarin vorsichtig an. Die ließ noch ein paar heftige Worte und Faustschläge fallen und kam dann zu mir herüber.
„Und? Macht er uns jetzt glücklich?“, fragte sie mich ungeduldig. Der Nikotinentzug stand ihr ins Gesicht geschrieben.
„Ja, er ist der Boß hier.“
Der äußerst höfliche und kompetente Schalterbeamte erklärte uns die Situation in gutem Englisch. Wir könnten die Tickets erst in Thessaloniki kaufen, das ginge hier in Athen nicht. Aber das sei kein Problem, es ginge auch ohne Reservation.
Hmmm, es ginge auch ohne Reservation. Dieser Satz lief ein paar Runden in meinem Kopf im Kreis herum.
Der Mann zeigte uns die Strecke die fahren mußten und bestätigte auch noch ganz geduldig unseren Plan, welche Züge wir nehmen wollten. Ich glaubte ihm. Die Nachbarin warf noch einen Blick zu dem Schalter, in dem der Fettarsch gesessen war. Der Schalter war nun leer.
Wir verließen den Bahnhof. Wie es aussah, würden wir morgen tatsächlich Griechenland verlassen können. Ich zündete mir eine Zigarette an, mußte erst rausfinden, was sonst noch am Programm stand. Die Nachbarin stand neben mir und atmete den Rauch tief ein.
„Bitte, rauch doch eine!“, sagte ich. Ich hatte Mitleid.
„Nein, ich habe nur noch drei Zigaretten und die werde ich heute Abend rauchen. Morgen ist es dann endgültig aus.“
Gut, zumindest diese letzte Nacht am Boot würde noch ruhig werden. Morgen ging das Theater wieder von vorne los.

>> hier gehts zu Teil 7 des Geschichterls

Ich aas gestern und heute:
1 Sandwich – ich bin geil auf Sandwich. Wehe dem, der es wagte, mich davon aufzuhalten!

Heimkehr aus Griechenland, Teil 5

> hier gehts zu Teil 1 der Heimkehrerstory.

Die Nachbarin und ich schimpften etwas über die lausigen Eisenbahnbeamten in Griechenland, zogen Parallelen zu denen in Österreich und gingen in die Richtung, die der besoffene Fettarsch uns grunzend gezeigt hatte. Und tatsächlich. Nach ein paar Schritten, einem Bahnsteig entlang, kamen wir in einen Raum mit drei verglasten Schaltern. Man mußte aus einem verrostetem Kästchen einen Zettel mit einer Nummer drauf ziehen. Das taten wir. Naja, nur dreißig Nummern vor uns. Wir wollten die Zeit nutzen, um etwas zu trinken, und fanden auch bald eine Bahnhofsbude. Etwas desorientiert kauften wir uns etwas zu trinken und zu essen und setzten uns erschöpft an einen der Tische. Nach dem Essen holte ich die Tschick heraus und bot der Nachbarin eine an.
„Nein danke, Matla.“
„Hä? Was is?“
„Ja weißt du, ich habe jetzt schon seit ein paar Stunden nichts geraucht und ich finde, jetzt ist der Augenblick gekommen, wo ich mit dem Rauchen aufhören sollte. Jetzt habe ich schon solange ausgehalten, jetzt schaffe ich das.“
Oh Gott! Jetzt? Das war der denkbar schlechteste Augenblick. Ich wußte, was das bedeutete. In meinem Gehirn tauchten Bilder eines brennenden Athens auf.
„Naja, das ist deine Sache, Babe.“, sagte ich und versuchte, mich abzulenken.

Nach einer halben Stunde standen wir vor einem Schalter. Unsere Nummer war auf einem Monitor angezeigt worden. Ich las: „International and domestic tickets“.
„I wanna go to vienna. TOMORROW!“, schnauzte ich den Typen an.
Der lachte nur und deutete auf den übernächsten Schalter. Aha, wieder nix English. Die Nachbarin sah ihn böse an und zeigte ihm den Finger. Ich stellte mich also zu diesem Schalter. Und zwar so, daß die Nachbarin nicht zu sehen war. Sie wurde von Minute zu Minute unberechenbarer.
Einmal erklärte ich irgendjemandem, was die Nachbarin und ich tun wollten. Einfach morgen, Samstag, von Athen nach Thessaloniki und von dort weiter mit dem Nachtzug nach Belgrad. Und siehe da! Der Typ hatte keine Einwände. Er machte sich sofort an die Arbeit, nahm unsere Daten auf, wir bezahlten und fertig!
Fast. Wo waren die Tickets von Thessaloniki nach Belgrad? Ganz freundlich erklärte mir der Schaltermensch, das ginge nur im Büro für „International tickets“. Gut, wo ist das? Raus und dritte Tür rechts.
„Thank you. Bye.“
Die Nachbarin blickte ihn drohend an, aber zeigte ihm keine Finger. Zumindest hatten wir ENDLICH einen Teil der Fahrkarten.
Erleichtert hielten wir uns an die Wegbeschreibung des Mannes und standen….. schon wieder vor dem betrunkenen Nußknacker! Bevor die Nachbarin irgendetwas sagen konnte, erklärte ich dem Besoffenen, daß wir nun Tickets von Thessaloniki nach Belgrad kaufen wollten.
„No! In Thessaloniki!“, schrie er lallend. Meine Geduld war am Ende.
„NOW! I want to buy the tickets NOW!“, entgegnete ich standhaft.
„NO! THESSALONIKI!“, plärrte er und zeigte mit dem Messer, mit dem er die Nüsse ausputzte, auf mich. Er schielte dabei etwas und Speichel rann ihm aus den Mundwinkeln.
Plötzlich rammte mich die Nachbarin mit ihrer Schulter unbarmherzig zur Seite.
„Gib uns jetzt die Scheißtickets!“, brüllte sie durch das Loch in der Scheibe. Mit vollster Kraft schlug sie mit ihrer Faust gegen das Glas, was ihr zwischen all den Beschimpfungen und Flüchen einen Schmerzensschrei entriss. Danach versuchte sie sich scheinbar mit ihren Fingernägeln durch das Glas zu graben. Ich vermutete, daß sie auf Grund des Nikotinentzuges nun endgültig die Kontrolle verloren hatte. Unauffällig – so gut es diese Situation zuließ – zog ich mich etwas zurück und suchte die Schalterhalle ab. Schnell fand mein geübtes Auge einen geeigneten Fluchtweg, Polizei war keine anwesend, die anderen Leute ringsum schienen eher auf unserer Seite zu sein, im Eck stand ein alter Feuerlöscher.

Du siehst, es gab doch gewisse Fortschritte. Wir hatten in diesem Augenblick zumindest Fahrkarten, die uns aus Athen wegbrachten. Am Montag erzählt der liebe Onkel die Geschichte weiter.

>> weiter zu Teil 6

Und heute aas ich:
1 Apferl
3 Tomaten
1 Herbstgouda