Der Zwerg am Scheideweg

Ich hatte einen Traum. Ich stehe auf einem Weg neben einem dürren Baum. Es ist heiß. Der Schweiß brennt in meinen Augen und ich versuche instinktiv, mich besser unter das bisschen Schatten des Baumes zu flüchten. Es funktioniert nicht, ich komme nicht von der Stelle. Da erkenne ich, dass ich einen Karren hinter mir her ziehe… aber noch schlimmer! Meine Hände sind an den Griffen des Karren festgenagelt! Ich stoße ein kurzes, erstauntes Oh aus.
„Was ist, Dummkopf?“, höre ich plötzlich eine krächzende Stimme. Ich zucke zusammen… denn ein Zwerg hockt auf meiner rechten Schulter! Zuerst will ich ihn wie ein Insekt von meiner Schulter fegen, aber meine Hände waren ja festgenagelt, dann beginne ich irre tänzelnd mich zu rütteln und zu schütteln. Der Zwerg jauchzt nur entzückt wie ein Rodeoreiter!
„Matla, du bist ein Trottel!“, ruft er begeistert.
Ich gebe auf und frage keuchend: „Was soll das? Wo bin ich?“
„Wo du bist? Das ist dein Weg. DEIN Weg!“
Ich sehe mir den Weg an und verziehe das Gesicht. Gerade, vollkommen gerade, mit tiefen Spurrinnen! Dann blicke ich nach hinten – was mich etwas Mühe wegen der angenagelten Hände kostet – und sehe denselben Weg. Vollkommen gerade, mit tiefen Spurrinnen. Schwer da rauszukommen.
„Siehe“, spricht der Zwerg, „das ist dein Weg. Er war es schon immer. Seit du denken kannst, gehst du ihn. Angenagelt an diesen Karren, mit dem du die Dinge schleppst, von denen du glaubst, dass sie wichtig sind, weil dir das jemand gesagt hast, als du zu denken begannst… und nun, sieh dich um und schau die Sonne!“
Heiß, ich erkenne nichts, nichts Konkretes, die Luft flimmert, undeutliche Leere. Wo ist die Sonne? Aber ich weiß, wenn ich mir Mühe gebe und mich konzentriere, kann ich die Sonne finden. Ich kneife die Augen zusammen und ahne bereits langsam, wo die Sonne steht. Doch da beginnt der Zwerg auf meiner Schulter, unruhig hin und her zu rutschen.
„Hör auf“, sagt er bestimmend, „lass es! Die Sonne würde dich ohnehin nur blenden! Willst du erblinden?“ Jetzt lacht der Zwerg böse und fährt fort:
„Der sterbende Baum neben dir heißt Augenblick. Geh den Weg weiter. Bleib in der Spur, die andere für dich gemacht haben! Das ist wichtig… und du kommst eines Tages wieder genau über den Weg hinter dir hier her zurück!“
Jetzt hatte ich ihn, diesen Zwerg!
„Ha!“, rufe ich. „Die Zeit ist ein Kreis, jaja, ich weiß. Aber zu Friedrich hast du gesagt, dass alles Gerade lügt und die Wahrheit krumm ist. Warum also ist der Weg gerade?“
Da beißt mir der Zwerg ins Ohr!
„Friedrich ist tot und Gott lebt, du Idiot!“, kreischt der Zwerg, springt mir von der Schulter und beginnt, sich in die staubige Erde zu graben.
„Warte“, rufe ich ihm hinterher, „wie heißt du?“
„Ich heiße Beleidigte Leberwurst!“
Und weg war er, der Zwerg. Verschwunden in einer Wolke aus Dreck.
Dann ging alles schnell. Ich riss mir die Hände vom Schubkarren, eine blutige Angelegenheit, Haut und Fleischfetzen blieben an den Nägeln hängen… aber ich war frei! Vor Schmerz taumelnd lief ich quer feldein, weg von diesem langweiligen, sinnlosen Weg, auf dem sich nichts niemals änderte und alles immer zum selben führte! Dann war ich ein Löwe und fraß mich selbst auf, bis ich zu einem Baby wurde und neue Hoffnung keimte.

Ich aas bei der Nachbarin:
Reste, die wie eine Art Chili aussehen