Kletzensau

Weihnachten ist die Zeit des Kletzenbrotes. Für mich zumindest. Ich esse es und jeder Bissen fördert neue Kindheitserinnerungen, weihnachtliche, zu Tage. Erinnerungen, die tief vergraben lagen, quasi in Sicherheit, und die besser vergraben liegen hätten bleiben sollen… wie der Vattern im Advent das Kletzenbrot am Tisch teilte… und wie er später in der Dunkelheit mit den Resten und anderem alten Brot in den Stall ging… und wie er rechts rüber die Schweine mit dem alten Brot fütterte und links den durchgefrorenen, nicht minder grunzenden Knechten das Kletzenbrot zuwarf… wie er dann die fetteste Sau tätschelte und den Knechten mit seiner rechten Faust und blitzenden Augen drohte… er hat die Knechte wortwörtlich zur Sau gemacht.
Ja, so etwas fehlt einem in der Stadt.

Und so aas ich – vom Geist der vergangenen Weihnachten beseelt:
1 Kletzenbrot

Schnee III

>> Schnee Teil I

Ich habe sie gehasst, die Berge. Habe nie verstanden, warum der Pfarrer uns in der Schule immer vorleierte, dass die guten Menschen nach oben kommen und die Bösen nach unten zum Beelzebuben. War doch selbst für mich als Kind völlig klar: ich war bereits hier oben in der Hölle und ins Paradies ging’s steil bergab.
Eine meiner frühesten Kindheitserinnerung setzt an einem warmen Sommertag ein, an dem die Welt untergehen sollte. Seit einer Woche redeten die Leute im Dorf schon davon, dass die Trotteln vom Tal glaubten, die Welt würde an dem und dem Tag um zwei Uhr Nachmittags untergehen. Wir Kinder erzählten uns gegenseitig, was wir daheim so mitbekommen hatten. „Es wird Blut regnen“ – mir fielen ein paar Binden ein, die ich am Tag zuvor in einem Mülleimer gefunden hatte – „Die Sonne wird im Westen aufgehen“, „Nein, die Sonne wird ja explodieren“, „Die Heuschrecken werden uns auffressen!“, „Der Teufel wird uns ins Essen scheißen!“ Mich jedoch interessierte besonders eine Prophezeiung: „Die Berge werden so flach wie Teller werden und die Täler im Wasser versinken!“ Die Berge flach? Das gefiel mir. Das Paradies rückte ein Stück näher!
Ich weiß noch, wie ich an besagtem Tage am Dorfplatz stand und mit offenem Mund auf die große Uhr am Kirchturm starrte. Je näher die Zeit des Weltuntergangs rückte, um so heftiger pochte mein Herz. Ganz gespannt beobachtete ich den Himmel, um die ersten Vorboten der Zerstörung ja nicht zu versäumen. Irgendwie erwartete ich etwas ganz Spektakuläres. Einen riesigen Hobel…. oder einen großen Schnitzelhammer, der die Berge flachklopfte… einen feuerspeienden Drachen… irgendwas! Ich für meinen Teil war bereit für das Paradies!
Als der Untergang eine Viertelstunde überfällig war, ging ich enttäuscht und mit schmerzendem Genick nach Hause. War wohl vorerst nichts mit dem Paradies. Ich blieb in der Hölle.

Ich aas:
1 Brot mit Leberaufstrich und Senfverzierung