Mutter des Krieges II

(Inhaltsverzeichnis)

Tante sorgte sehr für mich. Sie durchsuchte die Taschen meiner Freunde, kategorisierte sie nach Herkunft und Schulnoten und kümmerte sich um ein gutes Verhältnis zu den Eltern mit Bildung und Geld. „Herr Magggiiiiiister!“ – „Frau Kommerziaaaaalraaaaat!“, so rief sie durch die Straßen des kleinen Städtchens und lief ihnen entgegen, sobald die aufgetakelten und geldgeilen, alten Säcke daherkamen.
Hatte ich mal Ruhe, versenkte ich mich in die Malerei. Zeichnete mordende Untote und Totenköpfe mit Ratten, die ihnen grinsend durchs Gehirn krochen. Gerne malte ich auch alte Segelschiffe, die über die unbekannten Weiten der Meere fuhren. Riesige mit Kanonen bestückte Galeeren, die sich in Sonnenuntergängen blutig romantische Gemetzel lieferten. Wie schön doch ein Leben am Meer sein musste! Ich war sehr begabt, das sagten sogar die Lehrer.
„Augustin, du wirst Arzt. Als Künstler stirbst du den Hungertod. Das ist ja peinlich.“
Jeden Tag schleppte ich mich in eine strenge katholische Schule, die, ehemals reine Knabenschule, erst seit kurzem auch Mädchen akzeptierte. Niemand wusste, was man mit ihnen anfangen sollte.
Der Unterricht war hart. Tante machte mir das gleich am ersten Schultag klar: „Augustin, nur damit du dich darauf einstellen kannst. Zum Schulende wird der Schüler mit den schlechtesten Noten öffentlich hingerichtet. Und wer mit achtzehn Jahren keine Jungfrau mehr ist, ebenfalls.“ Hätte das der Wahrheit entsprochen, wäre ich wohl tausend Tode gestorben. Und dort saß ich nun Tag für Tag mit den Kindern der aufgetakelten und geldgeilen, alten Säcke und fühlte mich allein. Nur ich sprach meinen Dialekt, niemand verstand mich.
Noch bevor ich den Unterschied zwischen Gut und Böse kannte, brachte mir Tante bei, Juden zu erkennen. An der Nase, an den Ohren, am Namen. Fernsehen durfte ich nicht – außer den Nachrichten um halb acht, in denen die Juden sprachen, war TV verboten. Zuviel Sex und Perversität in den Medien. Verabscheuungswürdig, sagte Tante, die Welt geht an ihren animalischen Trieben zugrunde. Und die Juden geben ihr dann den Rest. Was hatten wir immer für einen Spaß, bei den Nachrichten die Juden und ihre Weltverschwörung zu enttarnen! Lange Zeit habe ich mich später dafür gehasst! Ich verabscheue solch ein Denken aus tiefster Seele.

Der Marsch der Nudeln

Mittlerweile begleitet mich Admiral Kuckkuck ständig, wenn ich im Rattenloch bin. Ich hab mich an seine permanente Anwesenheit gewöhnt. Hole ich mir Kaffee, watschelt er mir hinten nach, bin ich beim Essen, hockt er neben mir und sieht mir ganz fasziniert zu, wie ich mir Bissen für Bissen ins Maul stopfe. Er selbst isst und trinkt nichts. Admiral Kuckkuck spricht auch nicht mit anderen Menschen und niemand scheint ihn zu kennen oder gar zu beachten.
Heute in der Cantina fragte ich ihn, warum er eigentlich in meine Zelle versetzt worden ist. Er erzählte, ihn habe das Grau seiner alten Zelle so depremiert, daß er den Entschluss fasste, die Wände rot anzumalen. So kam er eines Tages mit Farbe und Ausmalrolle ins Rattenloch, wurde jedoch vom Hausmeisterandroiden überrascht und fast mit Gewalt dazu gezwungen, die Malerei zu beenden. Man beschlagnahmte seine Zelle und unterziehe sie nun einer Generalsanierung.
Alsbald verließen wir die Cantina und ich sprach Admiral Kuckkuck wegen dieser Geschichte meine Bewunderung aus. Doch unsere Unterhaltung wurde jäh durch den Marsch einiger Frauen unterbrochen, die mit Füßen, die so dick wie Stämme von Mammutbäumen zu sein schienen, vor uns einhergingen. Wir verlangsamten unsere Schritte, um nicht durch herabfallende Möbelteile erschlagen zu werden, als mir der Schwuchteltest von desertmum einfiel. Möglichst unvoreingenommen fragte ich den Admiral, ob er wohl meinen Schlauch halten wolle. Er sah mich ganz verdutzt an und sagte:
„Welchen Schlauch?“
Ich wollte den Test möglichst authentisch durchführen und fragte noch einmal:
„Würden Sie meinen Schlauch halten wollen?“
„Ja wo ist er denn, mein lieber Matla? Welchen Schlauch meinen Sie?“
„Vergessen Sie es“, antwortete ich, steckte meine Hände in die Hosentasche und hielt meinen Schlauch selbst.

Ich aas:
1 Teller mit den Resten der letzten Woche – es war beschissen
1 Schüssel mit Gras
1 Schokomuffin – er war besser
1 kleiner Brauner

Gestern Nüsse, heute Ei.

An dem zunehmenden Gelächter in der Nachbarzelle erkenne ich, daß das Wochenende naht. Dieser Umstand zeigt uns schon, wie sich das mit Arbeit und Glück im Leben verhält.

Hier komme ich auf deine wölfische Persönlichkeit zu sprechen, lieber zerwurschtelter Fan. In deinem Wolfs-Blog hast du von Arbeitssuche geschrieben und zeigst deine Zeichnungen. Suche dir keine Arbeit und zeichne nur mehr!
Auch meine Berufung wäre die bildnerische und musikalische Kunst gewesen – wenn man mir nicht jahrelang eingetrichtert
hätte, daß Geld wichtiger ist! Jetzt sitze ich täglich hier vor dem Bildschirm und verdigitalisiere meine Energie, anstatt etwas zu machen, an dem sich Menschen vieler Generationen erfreuen könnten.

Um einen Anfang zu machen, zeige ich dir ein Portrait, das ich von meiner Nachbarstochter gezeichnet habe – ihr spiele ich
regelmäßig Lieder von Black Sabbath auf meiner Gitarre vor:

Erfreue dich daran über Generationen hinweg!

Ebenso kreativ ist heute mein Mittagsessen:
2 Salzstangerl
1 Knacker
1 gekochtes Ei, das für mich zum Gemüse zählt
1 Schachtel Camembert

Mein MacGuyver-Messer ist auch wieder in Betrieb!