Da geht die Sonne

Bittere Tage. Ich war krank. Saß auf dem alten Stuhl vor dem Fenster, in eine speckige Decke gehüllt, fiebernd, frierend und bemerkte, dass mich die Sonne nun ein halbes Jahr nicht mehr wärmen wird. Zu hoch sind ringsum die mich einkerkernden Betonbunker. Zitternd hob ich die schwache Hand um den  letzten Sonnenstrand zumindest mit den Fingerspitzen zu erhaschen.
Wäre ich zweitausend Jahre jünger, würde ich mich voll Tatendrang aufmachen, um die Quelle des Lichtes, das wohl irgendwo hinter den Hochhäusern seine Bahnen ziehen muss, zu finden. Nicht aufgeben würde ich, bevor ich nicht das schöne Gesicht der gelben Sonne gefunden hätte. Doch nun… nun bleibt mir in meiner einsamen Demenz nur noch eines. Die Sprengung.

Und so aas ich:
2 Brot
2 Paradeiser – eigentlich ist es doof, jetzt Paradeiser zu essen
1 Pommersche

Die wandelnde Fabrik

Wenn ich auf den Clodeckel steige und aus dem Häuslfenster schaue, liegt sie vor mir, die alte Fabrik. Sie ist nicht groß, nur eingeschossig, schönbrunngelb, ein schmaler Schornstein, der wie ein hinniger Beidl dahängt, steht einsam darauf. Schon lange ist die Fabrik verlassen, nur mehr Ratten und Katzen verrichten darin ihr Geschäft.
Sooft ich am Clodeckel stehe, mit letztem Atem das Fenster aufreisse und gierig die Frischluft einsauge, ist die alte Fabrik für mich die letzte Bastion der Menschlichkeit. Dahinter drängen sich bereits die Betonbunker, dicht an dicht, voll Zombies. Näher und näher kommt das Grauen der Zivilisation, will mich erdrücken.
Gestern beobachtete ich einen Herren in Anzug, der zuerst Steine auf die Fenster warf und dann das verschlossene Fabrikstor eintreten wollte. Ich fragte ihn: „Brauchst einen Schlafplatz?“ Er antwortete: „Leck mich.“ Heute klettern auf der alten Fabrik ein paar Bauarbeiter herum, zerlegen das Blechdach, springen nicht grad zimperlich mit dem Gebäude um. Werden sie es niedermachen? Wird mir ein Betonklotz vors Clofenster geknallt?
Man wird sehen. Vielleicht werde ich die Fabrik besetzen, wenn sie mit den Maschinen kommen, vielleicht werden sie mich gar nicht bemerken und vielleicht werde ich mit der Fabrik vergehen.

Ich aas:
1 Brot
1 Liptauer
1 Käse
1 Kronprinz Rudolf

PS: auch mein Bildschirm vergeht.

Kläglich verklagend

Mein Darling desertmum schrieb vor kurzem über Verkehr mit fremden aber echten Männern im Waldviertel:

… Wenn wir feiern, wird gerauft, wenn wir saufen, dann bis zum Umfallen, kein richtiger Mann kotzt, putzt oder schiebt den Kinderwagen, die Ehefrauen werden beinahe so geschätzt wie die persönlichen Motorsägen, allerdings sind die Motorsägen vieler Männer legendär, die Ehefrauen eher nicht… [Quelle: desertmum.cobalt.cc]

Im Waldviertel laufen die Uhren noch richtig. Was man von Wien nicht behaupten kann. Wo sind hier echte Männer? Bei Darlings Definition fehlt mir nämlich noch ein Punkt: echte Männer laufen nicht wegen jedem Schas zur Polizei, sie verklagen auch niemanden, zeigen keinen an, machen keine Meldungen, sind keine Zeugen und lösen überhaupt Probleme unter sich!
Du kennst ja die Geschichte vom Stoßstangenfetischisten: Teil I und Teil II. Mir sind Menschen, die derart handeln, einfach zuwider. Das ist ja wie im Kindergarten. „Halt Abstand von meinem Auto, sonst sag ichs der Tante!“ Und dann schreibt er mir auch noch ein paar Brieferl.
Und solche Leute sind kein Einzelfall, wie mir die Nachbarin erzählt hat. Bei uns im Betonbunker gibt es ein junges Ehepaar mit zwei Kindern, das die Idee hatte nachzufragen, ob es nicht im Interesse aller wäre, wenn man im Hof ein paar Spielsachen aufstellte. Sie werden von anderen Bewohnern verklagt. Weil sie eine Idee hatten. Ein kläglicher Zustand ist das.

Darling, ich zieh bald zu dir ins Waldviertel.

Ich aas:
1 verklagenswerte Semmel mit Käse
1 Kaffee
3 Stück süßes Zeug

Betonbunkerpsycho

Ich wohne in einem riesigen Betonbunker, den ich liebevoll meinen kleinen Psychopathen-Generator nenne.
Kinder, die hier aufwachsen, werden eines Tages unweigerlich zu  Amokläufern. Soviele Dinge passieren hier, daß die  Polizei überfordert ist. Ich helfe ihnen. Das ist auch zum  Wohle der Jugendlichen. Je früher sie im Gefängnis landen, umso besser für alle.

Ich filme und fotografiere die Verbrechen in der Gegend. Wenn am Sonntag die Zeitung gestohlen wird, wenn Leute gegen die Hauswand pissen oder betrunken in den Innenhof kotzen, halte ich es fest.
Regelmäßig gehe ich dann zur Polizei und liefere die Beweismittel ab – sie kennen mich schon gut.
Manche Dinge, kann ich auch selbst – ohne Polizei – lösen. Zum Beispiel brennt bei der netten Familie gegenüber schon seit einigen Tagen am Balkon das Licht. Da habe ich mein Scharfschützengewehr, das ich mir gleichzeitig mit meinem  ersten Computerspiel gekauft habe, aus der Waffenkiste geholt (in  der übrigens auch mein toter Rottweiler liegt) und versucht,  ob ich die Lampe theoretisch treffen könnte. Lange habe ich  sie im Visier gehabt. Da ist mir auch gleich der dämliche Hamster am anderen Balkon eingefallen, der mir schon längere Zeit ein Dorn im Auge ist. Mal sehen, was sich machen läßt.

Ich esse:
1 Kürbiskernlaberl
1 grüner Paprika
1 Dose Wojnar Cottage Aufstrich mit Radieschen
1 Packung Münsterkäse
0 Kronprinz Rudolf Apferl
aber dafür 1 Krapferl