Muttern I

(Inhaltsverzeichnis)

Es war in den späten 70ern. Volksschule. Ich trug Glockenhosen und wildes Haar, der Rotz rann mir das ganze Jahr über aus der Nase. Von den Mädchen aus der dritten Klasse wurde ich verprügelt. Keiner wusste warum, die Mädchen sagten nichts dazu. Meine Mutter wollte mit ihren Eltern reden, doch Vater meinte, der Bub müsse das allein regeln, wo kämen wir denn hin, das wäre ja gelacht. Und tatsächlich. Ich regelte das – indem ich keinem mehr davon erzählte.
Am liebsten spielte ich mit Nachbars Töchtern – ungefähr im selben Alter. Die Mädchen waren verkommen, unerzogen, schmutzig, denn ihre Eltern soffen den ganzen Tag über und scherten sich einen Dreck um ihre Kinder. Wie Ausgestoßene behandelte man unsere Nachbarn. Wir auch.
Eines Tages in den Sommerferien entdeckten wir Spielgefährten einen Unterschied. Ich hatte etwas, was sie, die Mädels, nicht hatten und es sah eigentlich ziemlich wertlos aus. Mutter kam gerade mit ihren Einkäufen um das Haus in den Garten marschiert, als sie erkannte, was wir vorhatten. Die Mädchen wollten mir mit der rostigen Baumschere den Penis abschneiden. Ich stand mit heruntergelassenen Hosen auf einem wackligen Gartenstuhl. Ein Mädchen zog gerade an der gummiartigen Vorhaut meines Penis, um ihn für das andere mit der Schere in Position zu bringen. Alles war bereit zur Amputation. Noch nie hatte ich Mutter derart panisch und hysterisch erlebt wie damals. Und auch danach nicht mehr wieder – außer vielleicht als ich zum ersten Mal ein Mädchen mit nach Hause brachte. Für mich geschah alles wie in Zeitlupe. Meine Mutter durchzuckte es, als wäre sie von einem Blitz getroffen worden. Sie ließ alles fallen, was sie in den Händen hatte und lief mit einem gekreischten Nein auf uns zu.Während ich vor Schreck zu pinkeln begann, sprangen die Mädchen fürchterlich weinend um ihr Leben. Die Baumschere fiel vor mir auf den Boden und blieb halbherzig in der weichen Gartenerde stecken. Meine Mutter kam herbeigerannt und untersuchte kniend mein kleines Kinderglied, drehte es nach allen Richtungen, tätschelte es und hauchte es mit Tränen in den Augen zärtlich und schützend an, während ich ihr mein Frühstück auf den Kopf kotzte. Als sie mit großer Erleichterung der Unversehrtheit meiner Lenden sicher war, stand sie zitternd auf, ignorierte dabei die halbverdauten Marmeladesemmelstücke, die ihr seitlich am Gesicht herunterrutschten, vollkommen, und zog wütend die alte Schere aus der Erde. Mit einer Mischung aus Schreien und Weinen erklärte sie mir nun scheinbar wichtige Dinge für jetzt und mein künftiges Leben. Ich verstand nicht viel davon, auch weil, wenn Mutter aufgeregt oder wütend war, sie eine völlig unverständliche Mischung aus ihrer Muttersprache und dem Dialekt der Heimat meines Vaters sprach. Eines aber prägte sich mir für alle Zeiten ein: Mädchen waren ausgesprochen gefährliche Wesen. Sie waren in der Lage, Dinge zu tun, die du dein Leben lang bereuen könntest. Seither brachten mich keine zehn Pferde mehr zu einer Frisöse.

Ich hatte Lust auf Elvis

Man glaubt es nicht, ich hock im Rattenloch. So lang ist das letzte Mal schon her, dass ich alle Sicherheitscodes vergessen hatte. Ich mußte mit einem fucking Mitarbeiter der fucking Securityforce das ganze Spezialsicherheitsprozedere durchgehen, um Einlaß zu erhalten – die Blutabnahme habe ich mir zum Glück erspart.
Ja, ein bisserl wehmütig schreibe ich diese Zeilen. Meine Arbeit an den Androiden hier im Rattenloch ist im Aussterben. Immer länger werden die Abstände, in denen sie mich über die gesicherte Leitung anrufen, um ich um meine Assistenz zu bitten.
Aus diesem Grunde hatte ich heute Morgen Lust, mich etwas „spezieller“ für diesen Tag zu kleiden. Ich hatte Lust auf Elvis. Meine alten Glockenhosen passten mir noch und die dunkelroten blankgewichsten Cowboystiefeln mit dem Metall drauf sowieso. Sternensonnenbrille, schmalzige Locke im fetten Haar, protzige Riesengoldkette (unecht), I-love-Adolorin-T-Shirt und aufklebbare Brustbehaarung taten ihr Übriges, um mein Outfit zu vervollständigen…. vielleicht deshalb auch der umfangreiche Securitycheck heute Morgen?
Ultralässig und -berühmt spazierte ich die Strasse entlang, auf meinem Weg zu Billa. Eine alte Schachtel und eine Gruppe von Schwuchteln pfiffen mir hinterher, die Zuseher in der vorbeirumpelten Strassenbahn kreischten und jubelten mir zu. Die Wurstbudelfrau fiel ihn Ohnmacht, als ich ihr „Love me tender“ vorsang, ihr Nachfolger bat mich um ein Autogramm auf seinen Führerschein. Die Süßigkeiten flogen mir von selbst zur Kassa nach und die Warteschlange vor mir löste sich mit tiefen Verbeugungen auf.

Yeah, ich, die Starratte, aas:
1 Packung Brot mit Wurst, Käse und Gurkerl

Der dritte Weltkrieg und ich aas

Du seltsamer Vogel du fragst dich sicher schon länger: „Warum schreibt der immer ‚ich aas‘ und nicht ‚ich aß‘ wie jeder normale Mensch?“ Nun. Ich kann dir jetzt, da es bald so weit sein wird, beichten, daß ich mich schon seit den Fünfzigerjahren auf den dritten Weltkrieg vorbereite. Ja, jetzt beginnt er aber wirklich echt bald. Jetzt ist ja endlich offensichtlich gegen wen der Raketenschild in Polen wirklich gerichtet ist, es ist nun klar, daß die Russen NICHT schuld an der Krise sind und die NATO der eigentliche Provokateur ist. Die freie Presse (ich meine die wirklich echt freie Presse) des Internets berichtet ja tattäglich die echt wahre wirkliche Wahrheit – die Links habe ich dir ja schon einmal aufgelistet: Die Wirklich-Wahr-Presse

Aber zurück zur eigentlichen wirklichen echten Frage: warum aas ich? Weil genau das werden wir in naher Zukunft alle tun! Aas fressen. Wirklich echtes Aas. Rattenaas, Menschenaas, Pflanzenaas. Nicht Topfen und Käse, sondern reales Aas. Wenn die Atombomben auf Polen prasseln, weil die Russen zuerst den depperten Raketenschild wegbomben müssen, um endlich die echten wahren wirklichen Feinde erwischen zu können.
Und Aas eben, mein lieber kulinarischer Freund, schmeckt Scheiße. Und immer gleich. Darum esse ich schon seit Jahren immer das Gleiche. Okay, zuerst wars EKG, jetzt ist es genverändender Topfen, aber du weißt schon, was ich meine.

Aber keine Angst, das war jetzt nur ein Scherz. Die echte wahre Zukunft sieht ganz anders aus. Jesus Christ Superstar wird die Weltherrschaft an sich reißen! Ich hab sowieso vor kurzem erst im Keller meine alten Glockenhosen gefunden und das bunte Hemd mit den Fransen. Habs wieder in meinen Kaste getan. Die Platte habe ich auch und wenn ich mir das anhöre, freue ich mich, wenn wir alle völlig bekifft in den blumigen Himmel fahren und mit Jesus Christ Superstar singen können: „He Sanna, ho Sanna, hehe! Holodaro!“

Mir ist schlecht. Vom Aas:
1 Brot mit Topfen und Pfeffer
1 Käse
1 Flasche Samos, die schon fast leer ist…. das Wochenende naht ja schon.

Noch schnell das Foto bevor ich kotzen renn:

Sandler

Was ich gestern geschrieben habe, ist natürlich alles gelogen – wie könnte es anders sein? Kein einziges Wort in diesem Blog entspricht der Wahrheit. Wie oft ich das wohl noch sagen muß?

Dennoch würde ich gerne wissen, ob es „Marias Bar“ noch gibt. Das Lokal hieß nicht wirklich so – die wahren Namen will ich hier nicht nennen.

Während jener Zeit, in der ich Kellner und dann Taxifahrer war, lernte ich einige Insassen des Männerwohnheims kennen. Und auch andere „Sandler“.
Im Grunde ist der typische Sandler ein guter Mensch. Problematischer sind die etwas jüngeren. Die sind teilweise schwer zu handhaben, denn sie geben noch der ganzen Welt die Schuld an ihrem Zustand und das macht sie manchmal ziemlich aggressiv.
Von den alten Sandlern hat man nichts zu befürchten. Das sind die, die mit dem erwähnten krummen Rücken herumwandeln, Vollbart, kleine Schritte, leerer Blick, an Körperpflege oder Wäsche kein Interesse, namenlos. Die machen sich nichts mehr vor, die wissen, daß alles irgendwann zu Ende geht.
Aber nicht alle sind so. Im Männerwohnheim gab es auch Bewohner, die einfach das Beste aus ihrer Situation machten. Der Ferdl zum Beispiel, in Wien 20 durchaus bekannt, schwerer Alkoholiker, der stand jeden Morgen um Punkt fünf Uhr auf, ging duschen, zog sich saubere Kleidung an (meistens alte Sakkos aus den Siebzigern, Glockenhosen, riesige Kragen), setzte sich seine mit Hansaplast zusammengeklebte Brille auf die Nase und marschierte los. Zuerst besorgte er sich eine Zeitung, setzte sich dann ins Cafe, um diese zu studieren und um sein erstes Achterl zu trinken. Ihn konnte man auch als Taxifahrer getrost mitnehmen, denn er ließ sich nur eines rufen, wenn er auch genug Geld hatte.
Manchmal kamen Sandler in Marias Bar, die einfach nur auf der Durchreise zu sein schienen. Die tauchten wie aus dem Nichts aus, blieben ein paar Nächte und verschwanden dann wieder spurlos. Allerlei Typen lernte man da kennen. Zum Beispiel welche, die ihre Methode durchs Leben zu kommen, richtig in den Himmel priesen. Sie zeigten ihr Geld, das sie sich am Tage erbettelt hatten, luden andere ein, gaben übermäßig viel Trinkgeld und waren überhaupt sehr großzügig.
Es gab darunter natürlich auch Frauen. Eine kam eines Tages zu mir ins Lokal und wollte ein Bier, nennen wir sie Eva. Ich gab Eva ohne zu zögern ein Krügerl, denn ich freute mich immer über neue Gesichter. Leider hatte sie dann kein Geld, um das Bier zu bezahlen. Ich wurde etwas sauer, weil ich selbst nicht viel Geld hatte und ja alles genau abrechnen mußte – Ware, die nicht bezahlt wurde, mußte ich auf meine Kappe nehmen. Eva lief aber nicht weg oder ging einfach kommentarlos davon, sondern schnappte sich alle Aschenbecher aus dem Lokal und ging sie ins Scheißhaus waschen. Die Aschenbecher waren aus Ton und stanken danach wie die Hölle, aber gut. Sie sagte mir, sie würde gerne arbeiten und Geld verdienen (wie ich ja selbst eben gesehen habe), aber sie bekommt keinen Job!
Als Taxifahrer hat man es mit den Sandlern auch nicht leicht. Die meisten Taxler bleiben gar nicht mehr stehen, wenn ein Sandler winkt, oder jagen sie weg, wenn sie zum Standplatz kommen. Manche machen es auch so, daß der Sandler zuerst das Geld herzeigen muß, bevor er einsteigen darf. Da hat man allerdings immer das Risiko, daß sie ins Auto pissen oder daß die Rückbank dann längere Zeit stinkt. Und wenn sie einschlafen hast du überhaupt Pech gehabt. Denn die kriegst du nicht mehr so schnell aus dem Auto und dann pinkeln sie mit Sicherheit den Sitz voll.

Kurz: der Sandler ist ein Mensch, bei dem manche Dinge schief gelaufen sind, aber dennoch ist ihm mit Respekt zu begegnen (sollte man eigentlich gar nicht sagen müssen). Und was man so hört, mögen die Wiener ihre Sandler. Und ich auch.

Ich aas:
nichts, aber trank dafür umso mehr – der alten Zeiten wegen und weil Freitag is. Und es wird heute noch viel mehr werden. Alkohol schärft den Verstand und die Sinne.