Weg II

(Inhaltsverzeichnis)

Den Flug fand ich als Jugendlicher atemberaubend aufregend. Über allen Dingen glitt ich in einem zerbrechlichen Rohr aus Blech durch die Lüfte, frei und weit weg von allem, unfassbar! Hierher konnten mich nichts und niemand verfolgen!
Es war dunkel, als das Flugzeug in Athen landete. Ein kleiner Grieche mit Sonnenbrille, der jegliches Interesse an den Ereignissen dieser Welt verloren zu haben schien, holte mich dort ab. In einem unglaublich großen Auto wurde ich durch das nächtliche Athen kutschiert, irgendwohin in eine höher gelegene Gegend. Obwohl für mich alles, einfach alles, völlig neu war, hatte ich mit meinen fünfzehn Jahren keine Angst. Wenn ich‘s mir recht überlege, dachte ich damals wohl einfach nichts. Ich ließ alles geschehen, mein Gehirn war leer, konnte ja doch nichts an den Dingen ändern. Die Lichter der Stadt sprangen auf den blankpolierten Scheiben der Limousine in einem einschläfernden Rhythmus hin und her, an einer Ampel beobachtete ich einen fetten Mann unter einer Brücke, der eine Frau mit der einen Hand festhielt und ihr mit dem Faustring der anderen ins Gesicht schlug. Der Wagen wurde zum Glück durch eine Klimaanlage gekühlt, die Hitze hatte mir am kleinen Flughafen in Athen auf dem Weg zum Auto eine ganz schöne Ohrfeige verpasst!
Das Haus von Onkel Ramón war gewaltig, und ungewohnt hell. Sehr viel weiß, sehr viel Licht, und künstlich eisig gekühlt. Er selbst war in seinem Arbeitsraum und telefonierte. Ich wartete bereits fast eine Stunde, als Onkel Ramón breit grinsend und mit ausgebreiteten Armen auf mich zukam. Zuerst zuckte ich leicht zusammen, denn seine Vorderzähne schienen alle aus Gold und Silber zu sein, metallisches Lächeln. Ich musste mich konzentrieren, denn ich hatte bis jetzt nur mit meiner Mutter spanisch gesprochen und Ramón redete verdammt schnell und undeutlich.

Rattenloch II

(Inhaltsverzeichnis)

Vor einigen Jahren musste ich im Rattenloch sogar mehrere Monate durchgehend arbeiten. In einem Raum, der anderthalb mal drei Meter groß war, verbrachte ich den Sommer. Es gab an den Wänden zwar dünn verglaste Öffnungen, die in andere Räume gingen, doch sie waren zu hoch oben, als dass ich hätte durchschauen können. Ich sah nur unheimliche Schatten, die die Körper der anderen armen Hunde in den angrenzenden Zellen an die Decke warfen. Ich schuftete damals viel in diesem Raum, kannte aber sonst keinen dort. Die Arbeitsinstruktionen bekam ich über Telefon, das Geld lag in regelmäßigen Abständen in einem orangen Kuvert in der Lade. In diesem Sommer war ich ein Gefangener in Einzelhaft.
In all den vergeudeten Tagen, die ich im Rattenloch verbrachte, kam es jedoch auch zu dem einen oder anderen Kontakt, sozusagen sozialer Art. Das erste menschliche Wesen, mit dem ich im Rattenloch interagierte, war meine Zellennachbarin – ja, ich hab‘s mit den Nachbarinnen. Es war ein heißer Tag, die Luft war zum Schneiden, ich saß mit nacktem Oberkörper in meinem Raum. Es war egal. Sowieso hatte noch nie jemand während meiner Anwesenheit den Raum betreten. Worüber ich nicht unglücklich war. Als auch schon die Tür einen Spalt aufging und ein Arm hereinkam und sich an den Reglern der Klimaanlagen, die in jedem Raum an derselben Stelle gleich neben dem Türrahmen waren, zu schaffen machte.
„Kaputt.“, sagte ich leise, um den Arm nicht zu erschrecken.
Plötzlich erschien über dem Arm ein Kopf, der mich seltsam prüfend ansah. Weiblicher Humanoid.
„Oh!“, sagte die Frau und schob ihren restlichen Körper ins Zimmer.
Ohne den Blick von dem Eindringling zu wenden, griff ich instinktiv nach meiner Sonnenbrille und schob sie mir langsam ins Gesicht.
„Ich wusste nicht, dass hier jemand arbeitet.“, wunderte sich die Frau. Sie stand da mit einem Pullover, fingerlosen Handschuhen und Ohrenschützern: „Tschuldigung. Ich wollte nur ihre Klimaanlage aufdrehen. Meine bringt mich um. Es ist saukalt bei mir drüben. Vielleicht nutzt das was und meine Klimaanlage arbeitet dann weniger stark.“
„Also mir is grad richtig.“, gab ich zurück und kratzte mir die linke Brustwarze.
„Das sehe ich. „, sagte die Frau, während sie meinen bleichen Bauch anstierte. „Naja, tut mir leid. Wollte nicht stören. Auf Wiedersehen, Nachbar.“ Sagte es und verließ das Zimmer. Ich erschrak etwas. Sie betonte das Wort „Nachbar“ zu intensiv. Es klang fast wie eine Drohung. Ich dachte an meine Nachbarin von zu Hause.
Ein paar Minuten später tauchte sie wieder auf. Ich hatte mir mein T-Shirt angezogen, irgendwie ahnte ich bereits, was kommen würde. Die eben erst kennengelernte Kollegin betrat erneut, unaufgefordert, meine Zelle. Jetzt ohne ihren Pullover. Sie hatte etwas Kurzärmeliges an und irgendeine Tube in der Hand. Sie baute sich erschreckend nahe vor mir auf, drückte mit ein paar ziemlich lauten Furzgeräuschen massig Salbe aus der Tube und begann sich die Arme einzucremen.
„Also wirklich. Bei Ihnen ist es sowas von angenehm! Darf ich mich ein bisserl aufwärmen bei Ihnen?“
„Ja gut. Die Klimaanlage soll diese Woche noch repariert werden. Dann wird’s hier auch schnell kalt sein. Eiskalt.“, sagte ich, nur um irgendwas zu sagen. Ich hatte überhaupt keinen Bock auf ein ernsthaftes Gespräch.
„Wie heißen Sie eigentlich? Sind sie neu hier?“, fratschelte sie mich aus. Ich hasse Smalltalk.
„Ach nein, ich arbeite hier schon seit rund fünfzehn Jahren. Ignaz Ficker mein Name. Sehr erfreut.“, erfand ich, stand, über meine phantastisch kreative Spontanität verwundert, auf, reichte der Nervensäge die Hand, indem ich mich weit vorbeugte, um keinen Schritt machen zu müssen, und setzte mich wieder. Auf einmal schoss mir eine seltsame Müdigkeit in die Knochen.
„Sehr erfreut! Ich heiße Rosenlieb.“, stellte sich die Frau vor. Sie erwartete wohl irgendwas von mir, denn sie stand da und sah mich an.
„Hören Sie mich vielleicht manchmal miauen?“, fing Frau Rosenlieb plötzlich an.
„Nein.“
Ich wollte es kurz machen und drehte mich weg.
„Da bin ich aber froh!“, lachte die Frau, „Wäre mir nämlich ein bisschen peinlich. Wissen Sie, es ist nämlich so. Ich hab zu Hause ein liebes Kätzchen und das sitzt dort den ganzen langen Tag und wartet auf mich. Alle paar Stunden ruf ich meinen eigenen Anrufbeantworter an und rede mit dem Kätzchen – man kann nämlich mithören, wenn jemand auf den Anrufbeantworter spricht. Und ich miaue dann und sag liebe Sachen zum Kätzchen.“
Sie hörte auch die nächsten Minuten nicht auf, von ihrer Scheißkatze zu reden. Ich mag Katzen nicht und Frauen, die von Katzen reden, schon gar nicht. Zum Glück entdeckte ich etwas, was mir zuvor nicht aufgefallen war. Genau hinter dieser endlos redenden Person befand sich ein Fluchtplan des Gebäudes! Noch während Frau Rosenlieb mir von ihrem Vieh vorschwärmte, stand ich auf, stellte mich vor sie und blickte über ihre rechte Schulter hinweg auf den Fluchtplan. Sie versuchte immer wieder mit mir Blickkontakt aufzunehmen, indem sie ihre Position korrigierte, doch ich war schon zu sehr auf den Fluchtplan konzentriert und ließ ihn nicht mehr aus den Augen. Ich dachte mir, wenn die Alte nicht bald verschwand, würde ich den rot eingezeichneten Fluchtweg im Laufschritt nehmen und nie wieder zurückkehren.
Ein paar Minuten versuchte Frau Rosenlieb mit mir noch etwas Smalltalk. Ich erlog mehr unzusammenhängendes Zeug, bis sie schließlich das Interesse am Gequatsche verlor. Sie sagte, sie freue sich über einen neuen Nachbarn. Es sei so einsam hier. Frau Rosenlieb verließ schließlich meine Zelle. Ich hoffte inbrünstigst, ich würde sie nie mehr wiedersehen müssen!
Gleich danach suchte ich mir die Telefonnummer der Haustechnik raus und meldete meine kaputte Klimaanlage, mit der Bitte diese möglichst schnell zu reparieren.

Die Wüstenlösung

Ich hatte heute Nacht einen irr- und tiefsinnigen Traum. Ich fahre mit der Nachbarin am Beifahrersitz in einem alten Ford Mustang durch die amerikanische Wüste. Die Fenster offen, es ist heiß. Die Nachbarin bespricht mit mir ein dringendes Problem, das sie mit mir hat. Wie immer verstehe ich kein Wort und höre auch gar nicht richtig zu. Sie redet und redet, sieht finster drein. Nach einer Weile – der Seidenschal und der breite Strohhut der Nachbarin flattern im Wind – hört sie auf und wird fröhlicher. Sie blickt herum, durch ihre dicke Sonnenbrille, beginnt zu lachen, im Takt der Musik zu wippen. Und urplötzlich sind alle Probleme, alle Streitigkeiten wie weggeblasen! Auf einmal wird die Reise viel, viel wichtiger! Die Landschaft, der Weg, die Musik. Alles so herrlich.

Als ich aufwachte, wusste ich nicht, was ich mit dem Traum anfangen soll. Dachte zuerst, dass es einfach eine sinnlose Hirnwichserei wäre, aber… naja… es ergibt doch irgendwie Sinn… Die Moral des Traums ist ja die: wenn du mit jemandem ein Problem hast, fahr mit ihm in die Wüste. Im Idealfall ist die Reise so schön, dass sie die Probleme auflösen. Andernfalls kannst du ihm den Schädel einschlagen und im Sand vergraben.

Ich aas:
1 Teller Sardinen mit Spaghetti

Die Wüstenlösung

Gschlapfter Streit

Manchmal will die Nachbarin einfach Streit. Ich kann das verstehen. Es liegt ihr im Blut. Macht gar nichts. Ich unterstütze das sogar. Ja. Um es für sie nicht langweilige werden zu lassen, reagiere ich je nach Lust und Laune oder Tagesverfassung unterschiedlich. Manchmal lass ich es einfach über mich ergehen, ein anderes Mal steigere ich mich voll rein, und ab und zu beende ich den Streit vorzeitig durch die Übermacht an körperlicher Kraft… indem ich sie z.B. bändige, fessle und dann zu lecken beginne… oder solange kitzle bis sie mir eine abschließende Ohrfeige gibt und sagt: „Du bist ein Arschloch.“

Gestern war wieder so ein Tag. Ich merkte, dass sie streiten will, als wir beim Fernseher lagen. Da sah sie nicht auf den Fernseher, sondern mich an. Ich beobachtete das aus den Augenwinkeln und bereitete mich seelisch auf eine Eskalation vor. Dann begann das Spiel:
„Matla, ist es dir eigentlich völlig egal, was ich von dir halte?“
Ich antwortete nach drei Sekunden in einem gelangweilten Ton: „Hm? Was ist?“
„Ich meine, wie siehst du eigentlich aus? Du liegst da in meinem Bademantel, der dir viel zu klein ist. Deine haarigen Eier hängen raus. An den Füßen die schönen Ballschuhe, die ich dir vor ein paar Monaten gekauft habe. Sonnenbrille im Gesicht, ich meine, was soll das?“
„Hm? Naja, ich habe dir ja gesagt, dass ich Badeschlapfen will. Du wolltest mir die Ballschuhe kaufen. Und weil ich nie auf einem Ball war und nie auf einen Ball gehen werde, nehme ich die Scheißballschuhe eben als Scheißbadeschlapfen.“
Also du siehst, wie das läuft. Die Nachbarin greift mich völlig irrational und grundlos an und ich bleibe ruhig, distanziert und logisch.

Welche Taktik ich dieses Mal verwendet habe, um den Streit zu beenden – oder nicht – überlasse ich deiner dreckigen Phantasie.

Ich aas:
1 Kornspitz mit EKG

Gschlapfter Streit

Agaffine Sitzung #2

„Und können Sie die Stimmen auch… naja… sehen, Matla?“
„Hmmm, ja. Eigentlich schon… also mehr oder weniger…“
„Und wie würden Sie sie beschreiben?“
„Hm, ja… gute Frage… fangen wir mal mit den Herrn Rudolf an. Der sieht aus wie der Kellner in einem Wiener Kaffeehaus. Lang, dünn, mit dem typischen schwarzen Anzug, weißes Hemd… Umstandsmeier… ja, dann der Furzerjohannes. Der ist wiederum mehr wie ein Hobbit. Klein und dick… und hat so Riesenfüße mit vielen Haaren drauf, sodass er gar keine Schuhe mehr tragen kann… er hat wie ich so eine schreibende Zwangsneurose… Sonja ist… eine Pornosau. Ja! Total versaut mit großen Titten… sehr gute Bauchtänzerin… trägt genietete, nach Sperma riechende Lederjacken und lacht gerne. Brunnhilde ist mehr die Big Mama, die nie lacht. Mit Flügeln am Kopf… statt der Ohren… weiß auch nicht, wieso. Wenn man der falsch kommt, zerquetscht sie einen mit ihrer gewaltigen Masse… Damenbart, schlecht rasiert, aber trägt gerne Tigerunterwäsche. Bob… hm… ist eher der korrekte Typ… fette Haare mit Linksscheitel… Hosenträger, Hornbrille, Moustache… kleine Schuhgröße, aber dafür große Augen, riecht nach Pitralon und mag japanische Zeichentrickfilme. Vanacoud sieht wie ein Kasperl aus. Lange Nase, abstehende Ohren, Hasenzähne, kleine Augen, leichter Buckel. Rote Kappe verkehrt herum am Kopf. Aber am schlimmsten ist knofl. Die einfach nur klein, dünn und blöd. Sieht eher aus wie eine alte Krautstaude.“
„Gut. Halten wir das fest und schlafen wir darüber.“

Ich aas:
1 Tube Agaffin, denn die Stimmen verursachen auch Verstopfung

Agaffine Sitzung #2

Matla’s Dream

Gestern haben die Nachbarin und ich etwas geraucht. Und klar, auch gesoffen. Irgendwie war ich aber völlig geschafft vom Nichtstun den ganzen Tag und bin verhältnismäßig bald eingeschlafen… wahrscheinlich einfach auch aus Langeweile.
Was ich dann jedoch im Traum erlebt habe, war völlig irre!

Die Nachbarin war eine Königin. Sie trug ein blaugelbes Kleid… und sie war riesengroß. Der untere Teil des Kleides – wie heißt das eigentlich, der Teil, der die Beine bedeckt – wurscht, dieser Teil baumelte bei jeder ihrer Bewegungen wie ein Glocke hin und her. Und du meine Güte! Sie hatte kein Höschen an und ihr Buschen war so gewaltig! So gewaltig groß, dass Affen in diesem undurchdringlichen Dschungel kreischend von… äh… „Schamast“ zu „Schamast“ sprangen. Und den Dschungel durchpflügend klaffte ihre Muschi wie ein weitaufgerissenes, speicheltriefendes Maul eines Nilpferdes und drohte die Äffchen zu verschlingen. Die armen Äffchen! Sie sprangen um ihr Leben, doch eine aus der Muschi herausschießende, gespaltene Zunge schnappte sie und riss sie ins Verderben!
Mir war nicht ganz wohl bei der Sache und ich schwitzte. Ich war ja so ein kleines Männchen im Vergleich zur Muschi. Und schon hing sie über mir, die Muschi! Vom Gesicht der Nachbarin sah ich nur die Nasenlöcher, riesig und dreckig, mit Stacheldraht durchzogen… ja, ich bin wohl ziemlich löcherfixiert… die Muschi begann zu sprechen:
„Nudel, Nudel an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“
Himmel! Eine Riesennudel hing an der Wand, mit verspiegelter Sonnenbrille auf der Nase… oder besser gesagt auf der Nudel…. die Bügel steckten irgendwo hinter den Hoden – und die waren ziemlich rot.
„Nudel, Nudel an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“, fragte die Nachbarin nochmals und würgte die Nudel dabei, sodass die Sonnenbrille verrutschte. Die Nudel hustete und antwortete (das Loch vorne – ach Gott, wie heißt das wieder – da wo die Pisse rauskommt – schloss und öffnete sich beim Reden so witzig):
„Klare Sache, der Matla ist die Schönste im ganzen Land!“
Die Nudel an der Wand wurde größer.
DIE Schönste, Nudel an der Wand. DIE.“, wiederholte die Nachbarin gereizt.
„Ja, Matla ist DIE Schönste im ganzen Land.“
Die Nudel wurde noch größer. Die Bügel der verspiegelten Sonnenbrille wurden schon zu kurz.
DIE, du dumme Nudel!“, schrie die Nachbarin und würgte die Nudel erneut. Sie zog nun heftig an der Nudel und versuchte schon bald, sie aus der Wand zu reißen!
JA, DIE MATLA!„, krächzte die Nudel so laut es ihr möglich war.
Ich blickte ängstlich auf die große Nudel an der Wand und kniff mit aller Kraft die Arschbacken zusammen. Hatte Angst.
Und dann rutschte der Nudel an der Wand die Sonnenbrille von den Hoden. Shit, ich sah die Augen der Nudel. Was für ein schrecklicher Anblick!

Jetzt wachte ich zum Glück auf. Es war dunkel und ich lief zunächst völlig desorientiert im Kreis herum, bis ich erkannte, dass ich in der Wohnung der Nachbarin war. Hirschte wie ein Irrer in die Küche und holte mir eine Dose Bier. Leider warm, aber es musste sein. Ex.

Ich aas heute:
Nur Brot, lieber nur Brot

Rede des Anstaltsleiters

„Ha, Matla! Überrascht mich hier zu sehen? Nein? Ah, sie haben keine Ahnung, wer ich bin, stimmt’s? Ich bin Ihr Abteilungsleiter! Jaja, schauen Sie nicht so… teilnahmslos. Ist das nicht ein schönes Fest hier? Ich finde, es ist das schönste Stadtfest überhaupt. Aber lassen wir das Gerede, ich muss Ihnen was sagen, Matla. Kann sein, dass ich schon ein bißchen beschwipst bin, aber vielleicht gerade deshalb. Ich will Ihnen sagen, was ich von Ihnen halte. Es interessiert sie nicht, ich weiß, trotzdem muss ich es los werden. Denn sie sind ein Typ Mensch… wie soll ich sagen… wissen Sie wie sie auf mich wirken? Und das kann jeder bestätigen, den Sie fragen: Egal, wann und wo, sie sehen immer – immer! – aus, als hätten Sie die Nacht durchgesoffen und wären gerade eben erst aufgestanden. Ihre Haare stehen zu Berge, Ihre geschwollenen Augen hinter den Sonnenbrillen, die Sie selbst am Clo nicht abnehmen…. Ihre Haare! Am liebsten würde ich Ihnen Ihre Haare an Ihren vermaledeiten Schädel nageln! Sie wandeln herum, als hätten Sie noch nicht begriffen, was gestern los war und warum Sie heute überhaupt aufgestanden sind. Sie reden mit völlig Fremden, einmal hier, einmal da, völlig unzusammenhängendes Zeug… ich weiß nicht… weil Sie glauben, diese Leute zu kennen… und Leute, mit denen Sie täglich zu tun haben, ignorieren Sie… hören Sie mir überhaupt zu, Herrgottnochmal? So einer sind Sie, ja! Jedesmal wenn ich hier nach Ihnen Ausschau halte, sehe ich Sie in irgendeiner Schlange stehen… bei den Bratwürsten, beim Bier, Kaffee, Torte… und dabei stacheln sie jedes Mal die Menge gegen irgendwas auf: das Bier sei warm, der Kaffee eine bohnenlose Frechheit, es gehe zu langsam voran, die Polizeipräsenz zu aufdringlich… und übrigens: ihr penetranter Körpergeruch! Wie ein geiler Ziegenbock riechen Sie, können Sie das nicht ändern? Nein, nein! Bleiben Sie noch sitzen… und wissen Sie, was das Schlimmste ist? Die Leute reden nur Gutes über Sie… Sie… ach gehen Sie doch zum Teufel!“

Ich aas:
1 Eierbrot
1 Topfenstrudel

Ich hatte Lust auf Elvis

Man glaubt es nicht, ich hock im Rattenloch. So lang ist das letzte Mal schon her, dass ich alle Sicherheitscodes vergessen hatte. Ich mußte mit einem fucking Mitarbeiter der fucking Securityforce das ganze Spezialsicherheitsprozedere durchgehen, um Einlaß zu erhalten – die Blutabnahme habe ich mir zum Glück erspart.
Ja, ein bisserl wehmütig schreibe ich diese Zeilen. Meine Arbeit an den Androiden hier im Rattenloch ist im Aussterben. Immer länger werden die Abstände, in denen sie mich über die gesicherte Leitung anrufen, um ich um meine Assistenz zu bitten.
Aus diesem Grunde hatte ich heute Morgen Lust, mich etwas „spezieller“ für diesen Tag zu kleiden. Ich hatte Lust auf Elvis. Meine alten Glockenhosen passten mir noch und die dunkelroten blankgewichsten Cowboystiefeln mit dem Metall drauf sowieso. Sternensonnenbrille, schmalzige Locke im fetten Haar, protzige Riesengoldkette (unecht), I-love-Adolorin-T-Shirt und aufklebbare Brustbehaarung taten ihr Übriges, um mein Outfit zu vervollständigen…. vielleicht deshalb auch der umfangreiche Securitycheck heute Morgen?
Ultralässig und -berühmt spazierte ich die Strasse entlang, auf meinem Weg zu Billa. Eine alte Schachtel und eine Gruppe von Schwuchteln pfiffen mir hinterher, die Zuseher in der vorbeirumpelten Strassenbahn kreischten und jubelten mir zu. Die Wurstbudelfrau fiel ihn Ohnmacht, als ich ihr „Love me tender“ vorsang, ihr Nachfolger bat mich um ein Autogramm auf seinen Führerschein. Die Süßigkeiten flogen mir von selbst zur Kassa nach und die Warteschlange vor mir löste sich mit tiefen Verbeugungen auf.

Yeah, ich, die Starratte, aas:
1 Packung Brot mit Wurst, Käse und Gurkerl

Der Ostermörder

„Sein Kopf wird zerschellen!“ Das versprach ich gestern dem sterbenden Ei und ich werde den Mörder auch finden. Der Kreis der Täter kann eigentlich schnell eingekreist werden. Es muss jemand aus dem Haus sein. Die Nachbarin kommt dafür natürlich in Frage, der verwesende Körper der schon langen toten Hausmeisterin wohl kaum. Die anderen Bewohner kenne ich zwar nur vom Sehen: den Bobo von oben, der mich stets auf seiner Seite sehen will und mich permament unaufgefordert anspricht. Die Studentin, die Flötenunterricht gibt und, wenn man den Gerüchten glauben kann, gegen einen kleinen Aufpreis auch gerne mehr bläst als die Flöte. Die Familie mit den beiden Mädchen, die ich bisher nur im Laufschritt gesehen habe. Den Pensionisten, der sich einen halben Tag lang vom Erdgeschoß hinauf in seine Wohnung schleppt – wenn ich den auf der Stiege treffe und er völlig versteinert dasteht, stupse ich ihn an, um zu sehen, ob er noch lebt. Den ständig benommenen Typen mit den Dreadlocks. Und schließlich ein abgeleckter, etwas kleingeratener Typ in Anzug und Krawatte, der mit seinem Headset wie ein Kyborg aussieht. Aber trotzdem. Sie alle kommen in Frage, ihnen allen traue ich einen Mord zu.
Heute vormittag ist etwas passiert, das meinen Verdacht gegen die Nachbarin erhärten läßt. Ich war im Kaffeehaus und latschte gerade nach Hause, als ich von Weitem schon die Konturen der Nachbarin bemerkte. Seltsam sah sie aus, irgendwie aufgedunsen. Es war eigentlich gar nicht so kalt, doch sie war angezogen wie ein Astronaut. Eine dicke Pudelmütze tief ins Gesicht gezogen, eine Winterjacke, aufgeblasen wie ein Heißluftbalon, Fäustlinge, Rollkragen über den Mund und große Sonnenbrille. Aus der Ferne konnte man meinen, die Nachbarin würde jeden Moment ihre Ski auf die Füße schnallen und versuchen, damit den Hang herunterzurutschen. Sie kam mir entgegen, wechselte dann aber schlagartig die Strassenseite. Ich tat es ihr gleich, ich wollte mit ihr sprechen. Wieder wechselten wir auf den gegenüberliegenden Gehsteig. Sie versuchte, mir auszuweichen. Mit einem Sprung kam ich genau vor der Nachbarin zu stehen und sagte schnell:
„Schmeißt du Eier auf meine Tür?“
Die Nachbarin reagierte nicht, ja, sie sah mir nicht einmal in die Augen. Sie verzog ihre Lippen nur zu einem kurzen künstlichen Grinsen und schlüpfte dann an mir vorbei. Ich ließ die Nachbarin passieren und blickte ihr nachdenklich hinterher. Irgendetwas mußte sie unter diesem Anorak haben, er sah so aufgeblasen, so ausgefüllt aus!
Zuhause angekommen fand ich wieder ein Osterei vor meiner Wohnung. Diesesmal ein oranges. Es war wohl wieder gegen die Tür geschleudert worden, denn es hatte ein paar Sprünge. Ich konnte es nicht mitansehen. Schnell und heftig trat ich auf das liebe Ei, um es von ihren Schmerzen zu befreien. Die Leiche der toten Hausmeisterin wird das Ei wohl nicht wegputzen.

Ich aas:
1 Brot
1 Ei
1 Topfen
1 Käse

Katana Kill

Darrrling desertmum hatte gestern nicht ganz recht: ich kann zwar nichts kochen, nichts drehen, nichts selchen, aber Fleisch schneiden kann ich sehr wohl! Zwar nicht mit einem Küchenmesser, auch nicht mit der Brotschneidemaschine, aber mit dem Katana kann ich das! Ein gezielter Hieb und der Kopf der Sau ist ab! Oder ein Arm, oder was auch immer.
Gestern bin ich also mit dem Katana rauf zur Nachbarin, der Nutte.
„Was willst du mit dem Samuraischwert hier?“, fragte sie mich entrüstet und suchte meinen Blick. Ich hatte meine Sonnenbrillen auf.
„Drei Dinge.“, begann ich langsam, zum Mitschreiben.
„Erstens: ich werde jetzt mein Schwert am Katzenkratzbaum ausprobieren.“ Die Nachbarin stellte sich schützend vor ihre Katze.
„Zweitens machen wir danach ein Foto von dir mit einer aktuellen Tageszeitung.“ Die Nachbarin ergriff unauffällig ihr Handy.
„Und drittens: will ich eine Antwort. Kennst du dich mit Tiefkühltruhen aus?“
Die Nachbarin lächelte und sagte, während sie zu ihrem Tisch schlenderte: „Tja, mein Lieber, und aus einem Grund, aus einem einzigen Grund, wirst du diese drei Dinge nicht bekommen!“
„Und der wäre?“ Ich wurde vorsichtig.
„Weil du tot bist!“, schrie sie. Mit einer irrsinnigen Bewegung schnappte sie sich ihren Brieföffner und warf ihn mir entgegen. Beinahe zeitgleich zog ich mein Schwert UND…

Und nun aas ich:
1 bisserl Käse
1 paar Paradeiserl
1 Topferl