Rattenloch II

(Inhaltsverzeichnis)

Vor einigen Jahren musste ich im Rattenloch sogar mehrere Monate durchgehend arbeiten. In einem Raum, der anderthalb mal drei Meter groß war, verbrachte ich den Sommer. Es gab an den Wänden zwar dünn verglaste Öffnungen, die in andere Räume gingen, doch sie waren zu hoch oben, als dass ich hätte durchschauen können. Ich sah nur unheimliche Schatten, die die Körper der anderen armen Hunde in den angrenzenden Zellen an die Decke warfen. Ich schuftete damals viel in diesem Raum, kannte aber sonst keinen dort. Die Arbeitsinstruktionen bekam ich über Telefon, das Geld lag in regelmäßigen Abständen in einem orangen Kuvert in der Lade. In diesem Sommer war ich ein Gefangener in Einzelhaft.
In all den vergeudeten Tagen, die ich im Rattenloch verbrachte, kam es jedoch auch zu dem einen oder anderen Kontakt, sozusagen sozialer Art. Das erste menschliche Wesen, mit dem ich im Rattenloch interagierte, war meine Zellennachbarin – ja, ich hab‘s mit den Nachbarinnen. Es war ein heißer Tag, die Luft war zum Schneiden, ich saß mit nacktem Oberkörper in meinem Raum. Es war egal. Sowieso hatte noch nie jemand während meiner Anwesenheit den Raum betreten. Worüber ich nicht unglücklich war. Als auch schon die Tür einen Spalt aufging und ein Arm hereinkam und sich an den Reglern der Klimaanlagen, die in jedem Raum an derselben Stelle gleich neben dem Türrahmen waren, zu schaffen machte.
„Kaputt.“, sagte ich leise, um den Arm nicht zu erschrecken.
Plötzlich erschien über dem Arm ein Kopf, der mich seltsam prüfend ansah. Weiblicher Humanoid.
„Oh!“, sagte die Frau und schob ihren restlichen Körper ins Zimmer.
Ohne den Blick von dem Eindringling zu wenden, griff ich instinktiv nach meiner Sonnenbrille und schob sie mir langsam ins Gesicht.
„Ich wusste nicht, dass hier jemand arbeitet.“, wunderte sich die Frau. Sie stand da mit einem Pullover, fingerlosen Handschuhen und Ohrenschützern: „Tschuldigung. Ich wollte nur ihre Klimaanlage aufdrehen. Meine bringt mich um. Es ist saukalt bei mir drüben. Vielleicht nutzt das was und meine Klimaanlage arbeitet dann weniger stark.“
„Also mir is grad richtig.“, gab ich zurück und kratzte mir die linke Brustwarze.
„Das sehe ich. „, sagte die Frau, während sie meinen bleichen Bauch anstierte. „Naja, tut mir leid. Wollte nicht stören. Auf Wiedersehen, Nachbar.“ Sagte es und verließ das Zimmer. Ich erschrak etwas. Sie betonte das Wort „Nachbar“ zu intensiv. Es klang fast wie eine Drohung. Ich dachte an meine Nachbarin von zu Hause.
Ein paar Minuten später tauchte sie wieder auf. Ich hatte mir mein T-Shirt angezogen, irgendwie ahnte ich bereits, was kommen würde. Die eben erst kennengelernte Kollegin betrat erneut, unaufgefordert, meine Zelle. Jetzt ohne ihren Pullover. Sie hatte etwas Kurzärmeliges an und irgendeine Tube in der Hand. Sie baute sich erschreckend nahe vor mir auf, drückte mit ein paar ziemlich lauten Furzgeräuschen massig Salbe aus der Tube und begann sich die Arme einzucremen.
„Also wirklich. Bei Ihnen ist es sowas von angenehm! Darf ich mich ein bisserl aufwärmen bei Ihnen?“
„Ja gut. Die Klimaanlage soll diese Woche noch repariert werden. Dann wird’s hier auch schnell kalt sein. Eiskalt.“, sagte ich, nur um irgendwas zu sagen. Ich hatte überhaupt keinen Bock auf ein ernsthaftes Gespräch.
„Wie heißen Sie eigentlich? Sind sie neu hier?“, fratschelte sie mich aus. Ich hasse Smalltalk.
„Ach nein, ich arbeite hier schon seit rund fünfzehn Jahren. Ignaz Ficker mein Name. Sehr erfreut.“, erfand ich, stand, über meine phantastisch kreative Spontanität verwundert, auf, reichte der Nervensäge die Hand, indem ich mich weit vorbeugte, um keinen Schritt machen zu müssen, und setzte mich wieder. Auf einmal schoss mir eine seltsame Müdigkeit in die Knochen.
„Sehr erfreut! Ich heiße Rosenlieb.“, stellte sich die Frau vor. Sie erwartete wohl irgendwas von mir, denn sie stand da und sah mich an.
„Hören Sie mich vielleicht manchmal miauen?“, fing Frau Rosenlieb plötzlich an.
„Nein.“
Ich wollte es kurz machen und drehte mich weg.
„Da bin ich aber froh!“, lachte die Frau, „Wäre mir nämlich ein bisschen peinlich. Wissen Sie, es ist nämlich so. Ich hab zu Hause ein liebes Kätzchen und das sitzt dort den ganzen langen Tag und wartet auf mich. Alle paar Stunden ruf ich meinen eigenen Anrufbeantworter an und rede mit dem Kätzchen – man kann nämlich mithören, wenn jemand auf den Anrufbeantworter spricht. Und ich miaue dann und sag liebe Sachen zum Kätzchen.“
Sie hörte auch die nächsten Minuten nicht auf, von ihrer Scheißkatze zu reden. Ich mag Katzen nicht und Frauen, die von Katzen reden, schon gar nicht. Zum Glück entdeckte ich etwas, was mir zuvor nicht aufgefallen war. Genau hinter dieser endlos redenden Person befand sich ein Fluchtplan des Gebäudes! Noch während Frau Rosenlieb mir von ihrem Vieh vorschwärmte, stand ich auf, stellte mich vor sie und blickte über ihre rechte Schulter hinweg auf den Fluchtplan. Sie versuchte immer wieder mit mir Blickkontakt aufzunehmen, indem sie ihre Position korrigierte, doch ich war schon zu sehr auf den Fluchtplan konzentriert und ließ ihn nicht mehr aus den Augen. Ich dachte mir, wenn die Alte nicht bald verschwand, würde ich den rot eingezeichneten Fluchtweg im Laufschritt nehmen und nie wieder zurückkehren.
Ein paar Minuten versuchte Frau Rosenlieb mit mir noch etwas Smalltalk. Ich erlog mehr unzusammenhängendes Zeug, bis sie schließlich das Interesse am Gequatsche verlor. Sie sagte, sie freue sich über einen neuen Nachbarn. Es sei so einsam hier. Frau Rosenlieb verließ schließlich meine Zelle. Ich hoffte inbrünstigst, ich würde sie nie mehr wiedersehen müssen!
Gleich danach suchte ich mir die Telefonnummer der Haustechnik raus und meldete meine kaputte Klimaanlage, mit der Bitte diese möglichst schnell zu reparieren.

Scheißkatzensprung

War heute zum ersten Mal seit meiner Rückkehr aus Costa Rica bei der Nachbarin. Sie hat mich angerufen, weil sie mir etwas zu essen gekocht hat. Reis mit… äh… Gemüse, weiß nicht wie das Zeug heißt… der Name klang so ähnlich wie „Melodram“.
Die Nachbarin war nicht unglücklich mich zu sehen. Als ich in ihrer Wohnung stand, gab sie mir links und rechts einen Kuss auf die Wange. Normalerweise hasse ich das. Zuerst erkannte sie, dass ich neue Schlapfen an den Füßen hatte, und dann plötzlich machte sie vom Stand weg einen 3-Meter-Sprung nach hinten ins Wohnzimmer… so wie ihre Scheißkatze, wenn sie etwas beschnüffelt und es sich plötzlich bewegt… Scheißkatze, blöde… noch immer in der Wohnung… Na jedenfalls war die Nachbarin im Gesicht mit einem Schlag so weiß wie Schnee.
„Was ist mit deiner Zehe passiert?“, rief sie mir aus dem Wohnzimmer zu, hielt sich mit weit aufgerissenen Augen die Hand vor dem Mund und verschanzte sich hinter dem Sofa.
„Is‘ nicht weiter schlimm. Aber das solltest du mal sehen.“
Dann zeigte ich ihr meinen Feuerschwanz.

Ich aas:
1 Teller Ries mit Melodrama

Katzenmistviehverdammtes bin ich?

Ich weiß nicht. Die Nachbarin Nr. 2 hat so seltsame Eigenheiten. Zum Beispiel eine Katze. Und diese Katze ist ein Arschloch. Sie tut, was sie will. Sie kriecht auf Tisch und Küche herum, steigt hochnäsig durchs Essen, hält einem ständig den Arsch ins Gesicht, pinkelt auf meine Schuhe, weckt dich alle drei Minuten auf, weil sie dir ins Gesicht rülpst und niest bzw. auf die Lippen sappert…
Nachbarin Nr. 2 versucht den ganzen Tag die Katze mit Gutzureden zu erziehen. Jeder Satz dabei beginnt mit: „Nein“ – aber es klingt eher wie: „Nain“ – und wenn die Scheißkatze es zum hundertsten Mal trotzdem tut, wird daraus ein langes „Naaaaaaiiiiiiin“… so wie es ein Oberlehrer sagen würde: in der Tonlage tief beginnend und kontinuierlich erhöht.
Und gestern Abend ist mir aufgefallen, dass sie den gleichen Scheiß bei mir macht! „Naaaaiiiiin, Matla. Geh da runter.“ oder „Naaaiiin, Matla, das gehört dir nicht.“ oder „Naaaiiin, Matla, spuck das wieder aus.“ Zum Durchdrehen sag ich dir!

Ich aas in meiner Hundehütte, wo ich Ruhe habe:
1 Sandwich

Die Katze im Eiter

Sogar die Republik Österreich ist sich des Bildungsauftrages meines Misthaufenblogs bewußt! Bekam ich doch diese Woche ein sehr rührendes Email aus dem Bundesministerium für eitrige Angelegenheiten:

Hallo Matla !

Weg mit dem Rotwein und runter von der Nachbarin.
Wo sind die unappetittlichen neuen Gschichtln ???

Vollkommen richtig! Weg mit dem Rotwein… nur runter von der Nachbarin… das geht nicht… hab bei ihr grad wieder bisserl ausgeschissen, weißt du? Letztens nämlich saß ich mit ihr vor dem Fernseher, plötzlich spürte ich etwas Pelziges unter meiner Hand und begann es unbewußt zu würgen und an den Haaren zu reißen… ich dachte, es wäre die Scheißkatze. Da schreit die Nachbarin auf! Ich erkannte meinen Irrtum und klärte sie auf: „Oh, ‚tschuldige. Habe gerade deine Unterschenkel mit der Katze verwechselt.“

Ich aas vor ungefähr zwei Wochen:
1 Teller …äh… weiß nicht mehr…

Kätzchen, Kätzchen, lass meine Gedanken sein!

Die Scheißkatze von der Nachbarin hat versucht, mich umzubringen. Unfassbar. Ich sitz im Sofa, rauch mir einen ab, als das Vieh um die Ecke trabt, mich so nebenbei eines überdrüssigen Blickes würdigt, und diesen Gedanken denkt! Ich wusste in diesem Augenblick, was diese Scheißkatze denkt, ich konnte ihre Gedanken hören: „Wenn du nichts Besseres zu tun hast, du verdorbene Kreatur, tu mir doch bitte den Gefallen und stirb. Und danach lös dich von selbst in Luft auf, wenn’s leicht geht. Danke.“ Die Scheißkatze hat mit mir telepathischen Kontakt aufgenommen!
Ich schüttelte die Nachbarin, die mit heraushängender Zunge am anderen Ende des Sofas hing und schrie ihr ins Gesicht: „Sie hat mit mir gesprochen!“
Sie zuckte nur etwas mit den Augenlidern und sagte: „W…w…wer?“
„Deine Scheißkatze! Wach auf!“
„Fick doch den Teddybären… der Plüscharsch…“, war ihre Antwort. Ich verstand nicht ganz, was sie wollte und holte mir den riesigen Kuhledersombrero von der Wand. Der rutschte mir zwar bis über die Augen, aber wenigstens war ich so gegen die bösen Gedanken der Scheißkatze in Sicherheit. Ich ließ mich hinters Sofa gleiten und schlich mich auf allen Vieren an die Katze ran. Sie hatte von meinen Absichten natürlich schon gewußt, bevor sie mir überhaupt richtig klar waren, und leckte sich seelenruhig ihren Arsch. Dann schnitt sie mir eine Grimasse und zeigte mir ihre vermaledeite Zunge.
Ich weiß nicht, wie lange ich die Katze angestarrt habe, aber als ich zu mir kam, war sie nicht mehr da. Wie das alles geht?

Ich rauche wohl zu viel und dabei aas ich doch  nur:
1 Krapferl vom Anker