Rattenloch I

(Inhaltsverzeichnis)

Ich glaube, ich bin eher untypisch, wenn man das so sagen kann. Ich arbeite nicht immer, nicht wie andere, nicht durchgehend. Nur wenn ich Geld brauche. Und wenn ich arbeite, dann sowieso zu Hause. Was anderes kommt gar nicht in Frage. Das mach ich schon seit gut zehn Jahren so. Ist für mich akzeptabel. Ich brauch keinen Luxus, weißt du? Das ist mir schnurzegal. Mir ist meine Zeit wichtiger. Ich teil sie mir selbst ein, mach was ich will.
Okay, ich muss zugeben, wenn ich nicht wie eine Sau leben will, wenn ich einen gewissen Standard halten will, läuft es eigentlich darauf hinaus, dass ich wie du sechs Tage die Woche schufte. Aber ich bin da flexibel. Tausche Niveau gegen Zeit. So geht das.
Ins Rattenloch, in dem ich gerade bin, muss ich momentan zwei-, dreimal im Monat. Dort habe ich etwas zu tun, was ich leider nicht zuhause machen kann. Kacke.
Warum ich „Rattenloch“ sage? Stell dir ein Aquarium vor, das so groß wie ein ganzer Häuserblock ist. Eigentlich nicht schlecht, könnte man meinen. Viel Glas, viel Licht, freundliche Atmosphäre, alle hocken mit einem dämlichen Grinsen im Gesicht herum. Könnte man meinen. Aber das ist alles Lug und Trug. Zumindest für die, die nicht wie abgeleckte Arschgesichter in Hemd und Krawatte herumrennen. Das Gebäude ist vielmehr wie eine Zwiebel, die von innen heraus vergammelt. Die leckere, frische, die äußere Schicht besteht aus moderneingerichteten Büros. Helle Wände aus aalglattem Glas, funktionierende Klimaanlagen, bequeme Möbel und tolle Espressomaschinen. Wirklich, hier lässt es sich arbeiten. Doch je weiter man sich im Gebäude nach innen bewegt, umso unmenschlicher wird’s. Die Räume werden immer kleiner, dunkler, die Luft stickiger, der Kaffee beschissener, irgendwann überkommt dich das Gefühl, als wärest du eine Ratte, die in eine Kastenfalle geraten ist und sich selbst nicht mehr befreien kann. Aus diesen Gründen nenne ich dieses Haus ein Rattenloch. Ohne Fenster. Ohne Ausweg.

Kein Rauch im Bombenkrater

Gestern habe ich zum Rauchen aufgehört.
Heute habe ich dem Typen vom Nebenzimmer eine in de Goschn ghaut. Fast.

So ein Arsch. Ich schau grade beim Fenster raus, um das Anstaltsweiß aus den Augen zu bekommen, und sinnier so vor mich hin, betrachte das verwahrloste Nebengrundstück in dem rostigen Maschendrahtzaun, die zwei riesigen Löcher – wie Bombenkrater – darin, in denen schmutziges Wasser steht und ein paar Raben herumhüpfen. Stell mir vor, wie in den Bombenkratern ein paar vergammelte Leichen aus dem zweiten Weltkrieg liegen und die Raben ihnen das letzte Fleisch runterpicken. Da klopft er an und kommt in mein Zimmer! Der Typ vom Nebenzimmer. Ohne Vorwarnung! Ja, ist der deppert?
„Ja, bist du deppert, du Irrer?“, schrei ich.
Er zieht ganz erschreckt die Augenbrauen in die Höhe und die Mundwinkel nach unten und schleicht sich wieder. Der Tag ist im Arsch. Drum bin ich zum Chinesen gegangen.

Und aas:
1 Teller mit Hühnersate

Kein Rauch im Bombenkrater

Dauercamper

Daham habe ich es mir wie am Campingplatz eingerichtet. Hier bin ich gerne Dauercamper. Vor allem jetzt, wo ich wieder daham arbeite.
Campingeinrichtung hat den einen riesigen Vorteil, dass ich einfach den kompletten Inhalt meiner Bude wegschmeißen kann, wenn er zu vergammelt ist – ich brauch‘ ja nicht viel. Einen Tisch, einen guten Klappsessel für mich, einen weniger guten für lästige Besucher …. weißt du, es sind so Kleinigkeiten…. Plastikteller zum Beispiel… Plastikteller sind extrem praktisch… weil sie nicht zerbrechen, wenn ich am Morgen aus dem Bett heraus direkt auf sie drauflatsche… ich kann sie vom Tisch fegen, wenn mir das Essen nicht schmeckt… und man kann sie zum Reinigen einfach übers nasse Gras schlittern lassen… ach… den Tisch zusammengeklappt in den Regen stellen (den Rest fressen die Ameisen – meine eigene kleine Müllpolizei).
Alle Dinge sind so leicht, ich kann sie ohne große Anstrengung durch das Fenster direkt in die Mülltonnen werfen… mit etwas Glück treff ich dabei auch nicht das Auto vom Hausmeister.
Und wenn ich etwas Grünes, etwas Waldathmosphäre, möchte, lass ich einfach ein paar Pizzareste herumliegen bis Moos und Pilze auf ihnen wächst.

Ich aas auf meinem Campingtisch:
2 Liptauerbrote mit je einem Raderl Pfeffersalami
1 Käse

Der Propellerheilige

Wir waren am Wochenende zum Essen eingeladen. Ich mag sowas normalerweise nicht, Nahrungsaufnahme ist mir zu lästig als darum Rituale zu veranstalten. Doch die Nachbarin und ich hatten das Paar schon lange nicht mehr gesehen, also nahmen wir an.

Ich weiß nicht, wie viele verschiedene Arten von Lebensmittel sie uns in weißgott wie vielen Varianten vorgesetzt haben. Ich jedoch konnte mich gar nicht so richtig aufs Essen konzentrieren. Irgendetwas lenkte mich ab. In deren Haus stand nämlich allerhand Gerümpel herum, sie nannten es „Antiquitäten“. Und dann wurde mir klar, was mich die ganze Zeit irritierte. Am Schrank mir gegenüber stand eine vergammelte, hölzerne Heiligenfigur. Solche, wie man sie normalerweise nur in Kirchen findet. Über seinen Kopf hatte der alte Knochen so etwas wie einen goldenen Propeller montiert, sollte wohl den Heiligenschein symbolisieren. Ich sagte: „Ich mag den Propellerheiligen da drüben nicht. Er starrt mir aufs Essen.“
Der Herr des Hauses zu seiner Frau: „Siehst du? Ich hab dir schon so oft gesagt, dass wir den auf den Müll schmeißen sollen.“
Die Frau: „Nein, der bleibt. Ich mag ihn.“
Ich: „Ich mag sein Grinsen nicht. Und seine roten Wangen.“
Nachbarin: „Er sieht wie ein Perversling aus, wie ein Jungfrauenschänder!“
Ich: „Sieh nur, der hat sogar einen Harten unter seiner Kutte.“
Frau: „Aber nein, das sind nur die Falten, Matla!“
Nachbarin: „Jaja, darum trägt er ja die Kutte.“
Der Hausherr steht auf, holt den Propellerheiligen, stellt in mitten auf den Tisch und sagt:
„So was machen wir ihm?“
Ich: „Wir könnten ihm eine Silvesterrakete in den Arsch stecken und davonschießen.“
Frau: „Ihr seids ein Haufen Idioten!“
Nachbarin: „Stellt ihn in eure Sauna.“
Herr des Hauses: „Oder wir probieren die Mikrowelle!“
Und so ging es dann lange dahin. Als wir betrunken waren, trieben wir noch immer allerhand Scherze und folterten ihn.
Am nächsten Tag mussten wir den Propellerheiligen suchen gehen, er war spurlos verschwunden.

Ich aas im Stüberl und dachte an den lüsternen Propellerheiligen, den jemand achtlos im Komposthaufen vergraben hatte:
1 Suppe, welche nach pürierten Krapfen schmeckte
1 Schnitzerl, welches sich nicht fotografieren lassen wollte

Nachbarliche Psychoanalyse

Die Nachbarin wird es nicht müde, mich zu analysieren. Sie macht das ganz gut und liegt mit ihren psychologischen Gutachten meist gar nicht so falsch. Erst am Wochenende geschah wieder so ein Gespräch (sie hat mich zu sich geladen – wahrscheinlich um mich anzumachen). Sie hatte mir gerade von der wilden Kindheit ihrer Scheißkatze erzählt, wie süß sie war, wie sie überall etwas zum Kämpfen gefunden hat, ihre Klettertouren am Vorhang und am Regal, als ich ihr zu schildern begann, wie man einem erlegten Tier das Fell abzieht und was für Schwierigkeiten es da bei Katzen gibt.
„Alles, was schön ist, mußt du kaputt machen.“, unterbrach sie mich plötzlich.
„Oje.“ – ich ahnte bereits, was jetzt kommen würde.
„Ja, Matla. Du erträgst es nicht, wenn etwas schön ist.“
„Zum Beispiel?“ – ich wußte, daß die Nachbarin unzählige solcher Beispiele bei der Hand hatte, aber ich war ohnehin des Redens müde und wollte mich gedanklich etwas zurückziehen.
„Zum Beispiel? Das kann ich dir sagen, zum Beispiel. Zum Beispiel jetzt die gute Stimmung. Der Abend hat so gut begonnen und du mußt wieder alles versauen, verdammt. Erzählst mir da irgendso einen Scheiß von die-Katze-am-Schwanz-hochhalten und so. Was soll das? Was hast du für ein Problem? Hm?“
„Aso?“
„Aso!? Hör mir verdammtnochmal zu, wenn ich mit dir rede. Wie ist das zum Beispiel mit der Arbeitsplatte in deiner Küche, die ich dir vermacht habe. Das ist das einzig schöne Stück in deiner vergammelten Wohnung und was machst du? Immer wieder erwische ich dich, wie du beim Brotschneiden einfach in die Platte reinsägst. Und erzähl mir nicht, daß du das nicht mit Absicht machst!“
„Tatsächlich?“
„Ja, tatsächlich, Matla. Ich möchte mal wissen, was mit dir los ist? Machst dich ja selbst auch kaputt. Ständig saufen, rauchen, Drogen, halbvermodertes Essen…“
„Moment, das sind doch keine Drogen! Das sind Rauchwaren…“
„Ach leck mich. Was ist mit dem Ausschlag auf der Vorhaut. Warst du schon beim Arzt? Wahrscheinlich nicht…“
„Nein, zahlt sich nicht aus. Weißt du…“
„Zahlt sich nicht aus. So ein Blödsinn. Aber hauptsache du kannst da in deinem Blog den großen Helden spielen. Du Wichser!“
Und so ging das dahin. Furchtbar.

Ich aas:
1 Brot
1 Käse – wahrscheinlich meint die Nachbarin Essen wie dieses
2 Bier, die ich mir schon am Vormittag als Beruhigungstropfen gönnen mußte

Wertlos Schimpliges für Unreife

Das Wochenende ist da. Ich werde mich in den nächsten Minuten mit zwei Flaschen Rotwein zurückziehen, Musik hören und diese Woche der Vergessenheit anheimfallen lassen. Zum Einschlafen dann vielleicht noch ein kleines Oferl.

Aber sag mir eins, wertloser Leser, wie lagert man am besten Brot? Ich habe schon einige Varianten versucht, aber mir fehlt es an kulinarischem Vorstellungsvermögen.
Brot im Papiersackerl, mit dem man es an der Brottheke bekommen hat, zu lassen, führt nur dazu, daß das Sackerl feucht ist und das Brot trocken.
Die Plastiksackerln mit Löchern drin, bringen nichts. Das Brot wird schnell hart.
Und die kleinen Müllsackerln bringen auch nichts, denn dann fängt das Brot bald zu schimmeln an.
Also wie gehts das, verdammt?

Ich aas:
1 trockenes Brot
1 ,Nektarine – schimplig zwar, dafür aber unreif

Von Katze und Vogel

Mei liab! Gestern ist ein kleines Vögelchen in mein Wohnzimmer geflogen. Es war so unbeholfen, lernte gerade fliegen und piepste und piepste um Hilfe. In einem ersten Reflex holte ich mein Holzsamuraischwert, um das liebe Ding zu zerhacken, aber dann brachte ich es doch nicht übers Herz. Eine Vogelmutter imitierend hopste ich pfeifend auf das Vogelkind zu und wies ihm den Weg auf den Balkon.
Am Balkon fühlte es sich schon etwas wohler, setzte sich auf das verrostete Geländer und pfiff mir was. Es bedankte sich bei mir! Mei, is des liab? Ich holte schnell etwas vergammelte Wurst aus dem Kühlschrank und reichte ihm langsam ein Stück davon. Aber das war ihm dann doch zuviel. Ein letzter Pfiff, ein letzter Gruß und dann im Sturzflug in den Garten des Hausmeisters. Dort wurde er von der Bulldogge in Stücke gerissen.

Der liebe Vogel erinnerte mich an meine Katze, die ich einmal hatte, als ich noch am Land lebte. Ich bekam die Katze, als sie noch ganz klein und wuselig war, in meine Obhut – mit den Worten: „Matla, du bist jetzt seine neue Mutter, du hast die Verantwortung.“ Ich nannte die Katze Gato. „Gato“ ist spanisch und heißt in deutscher Sprache „Katze“ – ich war damals schon sehr fürs Unkomplizierte. Und wie einer echten Mutter lag auch mir die richtige Erziehung meiner neuen Katze sehr am Herzen. Ich gab ihr nichts zu fressen, denn sie sollte schon von Kindesbeinen an lernen selbständig zu sein. Und das Konzept ging auf! Sehr bald erlernte Gato die Jagd. Um mir Ehre und Respekt zu erweisen, legte Gato die gefangenen Tiere immer in mein Bett. Ich wußte um seine Absichten und filetierte die Tiere vor den Augen von Gato mit meinem Kindermikroskopskalpell . Er sah stets sehr interessiert zu, obwohl er die Vogel- und Mausfilets nie so gerne aß.

Jo mei, ich esse trotzdem:
1 Brot
1 Topfen
1 Apfel
1 Käse
1 Schardonä
1 anderer Rotwein dann später

Fasten und Verzicht.

Wie sieht das aus? Hm? Das habe ich heute von Billa bekommen. Das ist Käsewurst und das esse ich?

Und ich esse es! Ja! Denn: die lieben Kommentatoren haben mich gestern gerügt. Ostern sei eine Zeit der Selbstgeißelung. „Fasten, Verzicht“. Nun ich hätte heute tatsächlich aufs Essen „fast verzichtet“, aber ich gehe einen Schritt weiter. Ich quäle mich selbst, indem ich diese vergammelte Wurst esse! DAS nenne ich Selbstgeißelung, ihr scheinheiligen Pharisäer ihr!

Mahlzeit.