Mondgeheul

Wenn du lange genug suchst, gibt es FÜR UND GEGEN jeden Scheißdreck auf dieser Welt eine wissenschaftliche Studie. Kaffee ist gesund, belegen die einen, Kaffee macht krank, belegen die anderen Wissenschaftler. Mir ist das schnurzegal, was die Wissenschaftler sagen. Die sollen sich da ruhig ihr Wissen in rauhen Mengen schaffen, doch mich beeinflußt das nicht. Ich weiß, was ich weiß.
Die Wissenschaft ist ein in sich schlüssiges System, doch daneben gibt es noch Millionen anderer Dinge. Eine Seifenblase unter unzähligen anderen, die durch den Himmel schweben, ist die Wissenschaft. Viel verdanken wir ihr, Gutes wie Böses, doch mein Lebensinhalt und Lebenshalt ist sie nicht. Denn in vielen Bereichen sind Wissenschafter wie Analphabeten, die ein Gedicht vor sich haben. Sie können zwar die Buchstaben zählen und sie abmessen, doch den eigentlich Inhalt des Gedichtes werden sie nie begreifen.

Der Einfluß des Mondes wird oft diskutiert. Es gibt Mondkalender, die dir sagen, wann du dir die Haare und dein Holz schneiden sollst, wie du dein Leben gestalten sollst. Oh ja, es gibt wissenschaftliche Studien, die das bestätigen, und – natürlich – gibt es welche, die das widerlegen. Mir sind Mondkalender schnurzegal, aber ich weiß, daß der Mond die Dinge beeinflußt.
Vor langen Jahren nämlich, als ich noch ein unternehmungslustiges Kerlchen war und unbedingt herausfinden mußte, wie die Welt funktionierte, begab es sich des öfteren, daß ich an kühlen Abenden zu Vollmond mit einem Schlafsack auf den nahen Berg wanderte, um dort die Nacht zu verbringen. Diese Nächte waren die aufschlußreichsten Nächte meines Lebens! Lag da unter einem einsamen Baume auf einer kleinen Anhöhe und versuchte zu schlafen. Es ging kaum. Der Mond sah mich an und ich sah den Mond an. Ich spürte seine Kraft, wie er mich in seinen Bann zog. Ich dachte an den Baum, unter dem ich saß und überlegte mir, wieviele solcher Nächte er wohl hier schon gestanden haben mag.

Versuche es selbst! Geh in die Nacht, ohne Handy, ohne mp3-Player, ohne Ablenkung und sei für eine Nacht ein Baum unterm Vollmond. Liefere dich dem Vollmond aus und sage mir dann, ob du nicht auch die Lust verspürtest, das bleiche Gesicht anzuheulen, dich auszuziehen und nackt um einen Baum zu tanzen.

Um das zu verkraften, aas ich:
1 Packung Rotwein
1 Käse
1 Kronprinz Rudolf Apfel
1 Brot

Schnuppe

Am Freitag konnte ich dir nichts schreiben, ich war völlig im Eimer.
Den Abend zuvor verbrachte ich nämlich mit der Nachbarin. Sie wollte das so. Wir saßen am Dach und stierten in die Nacht, zwei Kartons Rotwein hatten wir in einem Sackerl mit. Während ich so tat, als würde ich meiner Nachbarin zuhören, beobachtete ich die Wolken, wie sie vorbeizogen. Dahinter leuchteten wohl die Sterne und ihre Schnuppen zischten für ein kurzes, aber freudespendendes Leben durch die allesdurchdringende Leere. Für uns unsichtbar und unerreichbar.
Die Nachbarin erzählte mir zum hundertsten Mal von ihrer bewegten Kindheit in fernen Ländern, was ihr den ganzen Tag so durch den Kopf gegangen war und wovon sie träumte. Nur einmal riß die Wolkendecke auf, ließ mich für einen kurzen Moment durch eine zerfetzte Öffnung die vage Schönheit der Unendlichkeit erblicken. Und genau in diesem Moment, genau in diesem Loch fegte eine Sternschnuppe dahin.
„Wünsch dir was, Matla! Schnell!“, rief die Nachbarin ganz hysterisch und hüpfte auf ihrem Arsch herum.
„Bitte, hör auf zu reden.“
Danach haben wir uns hemmungslos betrunken.

Ich aas:
1 Toastbrot
1 Zigeuneraufstrich
1 Paprika gelb
1 Käse

Muttertag 09-III und die Plastikzahnratten

(Forsetzung von Muttertag09-I und Muttertag 09-II)

„Weg! Weg!“, schrie uns meine Mutter aus dem Fenster zu. Anscheinend war sie nackt, denn sie bedeckte sich mit einer Zeitung und hatte eine Badehaube auf.
„Hearst, wos is? Ich bins! Matla. Dein Sohn. Ich war auch schon vor zwei Jahren hier!“
„Ist recht, aber ihr könnt hier nicht parken! Da müssen dann ja die ganzen Kirchenleute vorbeigehen! Stell dich hinten hin!“, rief meine Mutter bestimmt und ihr Kopf verschwand wieder im Fenster.
„Gut. Alles wieder einsteigen. Wir fahren nach hinten.“, sagte ich seufzend zur Nachbarin und setzte mich in den Wagen.
„Matla. Ich will wieder nach Hause. Jetzt gleich.“, murrte die Nachbarin, als wir ums Haus fuhren, „Es ist Scheiße hier.“.
Da kamen mir wieder die vielen Gründe in den Sinn, warum ich allein lebte und warum ich in einer Stadt wohnte. Das Auto stellte ich ab, fischte unter dem Sitz die bereits leere Rotweinflasche hervor, versuchte, ob nicht doch noch ein paar Tropfen darin zu finden waren und zündete mir eine Zigarette an. Ich machte einen langen, tiefen Zug, hustete und sah zur Nachbarin auf die Beifahrerseite. Ich sah sie mir genau an. Auf ihrer Regenjacke sitzend (was Wasser abhält, hält auch Urin ab) kramte sie nervös in ihrer Handtasche herum. Zwei kleine Mücken schwirrten vor ihr herum. Ihr Höschen lag zerknittert, nass und nun auch völlig verdreckt wie eine kleine dicke Spiralnudel am Boden. Ich lachte.
„Nein. Ich kann jetzt nicht nochmal einen halben Tag im Auto sitzen. Wir bleiben jetzt hier. Wir gehen ins Haus, ruhen uns aus, trinken was. Das Gekläffe von der Alten werden wir schon aushalten. Du kannst dich saubermachen, die Pisse runterwaschen und so. Und später kann ich dir ja ein bißchen die Gegend zeigen. Was meinst du?“
„Also wie du über deine Mutter sprichst. Die ist doch eh so nett.“, sagte die Nachbarin kopfschüttelnd mit einem ziemlich enttäuschten Gesichtsausdruck.
„Und ich schwör dir. Ich werde dich vor den Ratten vom Kameradschaftsbund beschützen. Keine Sorge. Ich werde nicht zulassen, daß sie mit ihren Plastikzähnen an dir rumknabbern.“
Wir lachten, blödelten noch etwas im Wagen herum und gingen dann ins Haus.

Vielleicht erzähle ich morgen noch den Rest dieser langweiligen Geschichte, obwohl das jetzt schon wie ein Happy End klingt, was?

Ich aas:

Muttertag 09-II (Arschparade)

(Forsetzung von Muttertag 09-I)

„Nau super.“, sagte ich, während wir mit unserem Arschparadewagen den Kameradschaftsbund abfuhren, und griff nach der Flasche Rotwein. Die Nachbarin war inzwischen mit dem Pinkeln fertig, der Beifahrerbereich völlig versaut.
Die Nachbarin: „Halt mal.“ Sie reichte mir den Becher, der bis zum Überschwappen mit Pisse voll war.
„Ich hab jetzt keine Hand frei.“, wehrte ich ab. Mit der linken Hand hielt ich mich verkrampft am Lenkrad fest, mit der rechten umklammerte ich die Rotweinflasche und zog mit den Zähnen den Korken raus.
Ich weiß nicht, wie lange der Polizist brauchte, um die Lage zu überblicken. Bellende Hunde, die um einen Becher herumschnüffelten, der aus einem Fahrzeug geflogen war, ein paar halbtote Würdenträger aus beiden Weltkriegen, in die gerade ordentlich Leben gekommen war, eine Horde von gackernden Frauen, die mit den Händen herumfuchtelten, weil ihnen die Arschparade nicht gefallen hatte, Jugendliche, die gröhlend neben einem Auto mit Wiener Kennzeichen herliefen, einem Auto, in dem der Fahrer gerade einen beherzten Schluck aus der Weinflasche nahm, mit einer Beifahrerin, die ihr Höschen aus dem Fenster hielt und mit aller Kraft versuchte, Urin rauszudrücken.
Zum Glück fand sich gerade jetzt ein Ausweg aus dieser mißlichen Lage. Ich verriss den Wagen und raste mit durchgetretenem Gaspedal in eine kleine Seitengasse davon. Weg von den Menschen, weg von dem Polizisten, weg von der Prozession.
Nach einer ziemlich heftigen und handgreiflichen Diskussion zwischen der Nachbarin und mir, schafften wir es schließlich doch zum Haus meiner Mutter. Die Menschenmenge hatte sich in der Kirche verkrochen, der Weg war frei. Ich stellte erschöpft den Motor ab, streckte meinen armen Rücken und seufzte erleichtert. Die Nachbarin riß die Tür auf, rammte sie in die Hausmauer, fluchte und stieg aus. Wir beide stiegen aus.
Plötzlich sprang ober uns mit einem Quietschen, das durch Mark und Bein fuhr, ein Fenster auf.
„Fahrt weg! Fahrt weg!“, schrie eine hektische Stimme aus dem Fenster.
„Hallo Mutter.“, sagte ich.
„Weg! Weg!“, plärrte sie uns mit eindeutig ausladenden Handbewegungen an.

Da gibts ja mehr zu erzählen, als ich befürchtet hatte. Morgen gehts weiter. Keine Zeit mehr.
Ich aas:
1 Apfel
1 Banane alt
1 Torte von Muttern

Muttertag 09-I

Das Wochenende war ein Fiasko. Die Nachbarin und ich machten uns, wie abgemacht, am Samstag zeitig in der Früh auf den Weg in die Berge, um meine Mutter zu besuchen. Mit meiner verkackten Closchüssel fuhren wir zunächst zur nächsten Tankstelle, wo ich mit ein paar gezielten Fußtritten pflichtbewußt den Reifendruck kontrollierte und uns für die lange Fahrt mit Treibstoff, Rotwein und Tschick versorgte.
Die Fahrt an sich war ereignislos. Wir brausten mit der Höchstleistung des alten Wagens waghalsig über die stumpfsinnigen österreichischen Autobahnen, umringt von Lärmschutzwänden, ohne viel Gespräch – ist bei dem Lärmpegel, den die alte Kiste erzeugt, sowieso sinnlos.
Irgendwie kam keine rechtge Stimmung auf. Zum Ende der Fahrt hin war sie sogar schon etwas gereizt und die Nachbarin und ich rutschten nervös auf unseren Sitzen hin und her. Unsere Rücken schmerzten, wir hatten Hunger, der Wein war schon fast alle und der kleine Aschenbecher voll.
„Ich halts nicht mehr aus, Matla.“
„Wir sind gleich da.“
„Ich hab Hunger.“
„Ich auch.“
„Ich muß pinkeln, Matla.“
„Ich nicht.“
„Kannst du nicht irgendwo stehenbleiben, Matla?“
„Das bringt nichts. Schau! Da vorne ist schon die Ortseinfahrt.“
So knapp vor dem Ziel wollte ich nicht mehr Halt machen. Ich wollte endlich raus aus dieser Falle!
Wir passierten die Ortseinfahrt, das Haus von Muttern war schon zum Greifen nahe! Nur noch ein paar Minuten!
Doch da stand plötzlich dieser jämmerliche Dorfpolizist wie Jesus am Kreuze mitten auf der Straße und sperrte den Verkehr ab.
„Shit, will der überfahren werden?“
„Scheiße, weiß nicht.“
Schneller als ich reagieren konnte, bäumte sich die Nachbarin am Beifahrersitz auf und stemmte sich mit ihrem vollen Körpergewicht auf die Hupe. Dabei stieß sie mich derart zur Seite, daß ich mit dem Schädel gegen das Fenster geknallt wäre, wenn es nicht offen gewesen wäre.
„Haumsda ins Hirn gschissn?“, schrie ich und merkte leider zu spät, daß ich diese Frage zwar an die Nachbarin stellte, mein Kopf aber aus dem Seitenfenster ragte und auf den Polizisten sah.
Ich will jetzt gar nicht ins Detail gehen. Mit ein paar Erklärungen und Besänftigungen konnten wir den Polizisten wieder beruhigen und zum Glück war er sowieso zu beschäftig. Er sperrte die Straße nämlich ab, weil ein ewiglanger Prozessionszug aus dem Haus der freiwilligen Feuerwehr, das sich gleich am Ortsbeginn befand, kam und Richtung Kirche dahinpilgerte. Der Polizist stand jetzt wieder ganz wichtig in der Mitte der Straße und ließ uns nicht aus den Augen.
„Ich muß pinkeln, Maaatlaaaa.“, zischte die Nachbarin mit zusammengepreßten Lippen und sah mit funkelnden Augen auf den Polizisten.
„Ich kann jetzt nichts machen.“
„Ich sags dir, ich halt das nicht mehr lange aus!“
„Ich kann jetzt nichts machen, verdammt!“
Endlich hörte die Fleischmasse auf, sich aus dem Feuerwehrhaus zu erbrechen. Der Polizist verließ seinen Posten und marschierte hinter der Prozession her. Und wir mußte hinter dem Polizisten herfahren – schon als Kind haßte ich diese Prozessionen.
Wir fuhren also in einem Tempo, das langsamer als Schritttempo ist, der Straße zur Hölle entlang.
„Matla, Matla, Matla. Pinkeln, pinkeln, pinkeln.“, sagte die Nachbarin und verfluchte die Prozession vor uns. Sie schwitzte schon etwas, hopste am Sitz herum und drückte die Beine zusammen.
„Jaja.“
„Bleib jetzt sofort stehen, ich pinkel neben das Auto, Matla.“
„Bist du verrückt? Vor uns geht der Kiwara!“
„Gut, es muß jetzt sein. Ich pinkel in den Kaffeebecher. Mir ist das jetzt wurscht! Ich halts nicht mehr aus. Die schauen eh alle nach vorne.“, sagte sie keuchend.
„Na von mir aus. Aber schau, daß du nichts vollpißt!“
Die Nachbarin schob ihren Rock hoch, zog sich blitzartig das Höschen aus und rutschte nach vor, um in den Becher zu pinkeln. Irgendwas störte die Nachbarin jedoch an dieser Stellung.
„Matla, es ist mir wurscht.“ – sie war völlig am Ende.
Und jetzt beging sie einen großen Fehler. Aus einem mir nicht ganz nachvollziehbaren Grunde wollte sie im Stehen pinkeln. Sie stand auf und drehte sich gebückt zu mir, der rechte Fuß am Boden, der linke am Beifahrersitz. Der Arsch der Nachbarin sah dabei wie ein staunendes Gesicht ohne Augen aus dem rechten Seitenfenster.
„Bist du sicher?“, fragte ich sie und war bereits mit der Situation überfordert. Der Verkehr, der Polizist, die nahende Menschenmenge am Straßenrand.
„Mir wurscht.“
„Ich meine ja nur. Da vorne stehen Leute.“, sagte ich etwas unsicher.
„Ohhhhh, ist das schööööön.“
So stand sie also im Auto, hielt den Arsch zum Fenster und pinkelte mit genussvoller Befriedigung in den Kaffeebecher, währende ich weiterhin mit zusammengekniffenen Augen der Prozession hinterherfuhr. Die Nachbarin sah zwischen ihren Beinen durch, konnte so den Urinstrahl genau in den Becher steuern, sie sah, wie die Pisse über ihre Finger rann, weil das Fassungsvermögen des Bechers zu bald erschöpft war, sie sah im Hintergrund, wie wir an ein paar alten strammstehenden Männern vorbeifuhren, die mit Orden bestückt vor dem Kriegerdenkmal salutierten.

Morgen geht die Geschichte weiter.

Ich aas:
1 Brot
1 Paprika
1 Aufstrich

Brot und Verderb

Seit einigen Tagen habe ich es wieder. Dieses Gefühl der Leere. Es wird immer stärker. Mir entzieht sich der Sinn meines Daseins nun vollkommen. Meine Handlungen verlieren Sinn, meine Nichthandlungen ebenso.
An solchen Tagen krame ich oft die Kiste, die unter meinem Bett verstaubt, hervor und spiele mit den alten Sachen. Da ziehe ich zum Beispiel den Sicherungsstift der Granaten raus, klemme mir die Dinger unter den Hals und gehe pinkeln. In solch riskanten Situationen merke ich dann noch am ehesten, wie sehr mir noch an diesem Leben liegt. Ich meine, es wäre so einfach! Eine kleine Zuckung mit dem Kopf, eine kleine falsche Bewegung nur, bewußt unabsichtlich oder unbewußt absichtlich oder durch einen kleinen schmerzhaften Stich beim Pinkeln verursacht, und es gäbe in Wien einen skurillen Todesfall mehr.
Gestern spazierte ich auf den nahen Weinberg. Die untergehende Sonne durchfuhr mich mit ihren ätzenden Strahlen, der Wind zerwutzelte unerbitterlich meine Haare und zwang die Wiese langgezogene Wellen zu schlagen. Doch rasch, zu rasch, wandelte sich die Welt. Bot sich mir gerade eben noch ein halbwegs annehmbares Bild der Realität, änderte sich plötzlich alles zu einem grausigen Schauspiel des Untergangs. Nicht mehr Wind und Sonne waren die treibende Kraft in der Natur, sondern eine Druckwelle aus Flammen und Müll. Ausgehend von irgendeinem aufgestossenen Höllentor im Südosten von Wien strömte Tod und Verderben über die Welt. Mir wurde schlecht. Daher ging ich nach Hause.
Und wie du siehst, ist noch etwas Lebenswille in mir. Denn ich sitze hier und schreibe dir, daß der Sicherungsstift nach dem Pinkeln wieder seinen Weg zurück in die Granate fand.

Ich aas:
1 Brot
1 Rotwein, der nach vier Tagen schon etwas säuerlich schmeckt.

Traditionsbäckerei unter Lemmingen

Ich muß zugeben, daß ich leicht betrunken bin. Es ist jedoch nicht so wie sonst. Es ist keine Weltschmerztrunkenheit, kein Antistressrausch wie so (zu) oft. Es ist….. einfach nur schön. Stell dir vor. Ich latschte heute aus meinem Haus raus und zwar in die Richtung, in die ich normalerweise nicht gehe. Die Richtung, in der die Menschen sind. Wo sie wie Lemminge auf und ab rennen. Doch heute war ich dort. Nicht lange, denn bald floh ich mich in eine kleine Seitengasse, um die aufkeimende Aggression und den neu entflammten Menschenhass wieder abflauen zu lassen. Und siehe! Ein kleines hübsches Konditorei-Bäckerei-Cafe, die meinem Streben bisher verborgen blieb! Ich ging unauffällig zum Schaufenster hin und, indem ich mit beiden Händen das Licht abschirmte, kontrollierte ich, ob denn Menschen darinnen anwesend seien. Alles leer! Flugs hineispaziert hieß es! Und was ich sah, erfreute das Gemüt. Die Einrichtung alt aber gepflegt, düstere Erinnerungsfotos, die die Geschichte dieses Geschäftes erzählten und eine fette, kugelförmige Bedienung, mit roten Wangen und roten Haaren und unglaublich abstehenden Riesentitten. Gekonnt stellte ich Fragen und riskierte einen geheimen Blick nach hinten. Diese Bäckerei stellt ihre Sachen eigenständig und auf traditionelle Weise her! Ich kaufte Brot.

Sieht es nicht lecker aus? Ja!

So mußte ich es tun. Brot, Emmenthaler und Rotwein! Ein Gericht für Götter!

Und das also aas ich eben:
1 Brot – lecker lecker
1 Emmenthaler
1 Rotwein

Verheerende Nahrung im apokalyptischen Kopf

Du meine Güte! Erst jetzt, da ich mich nur mehr von Topfen ernähre, erkenne ich, was die Krapfen mit mir angerichtet haben! Am ganzen Körper bin ich von eitrigen Pusteln überzogen, mein Rücken ist stark gekrümmt, sodaß mein Kehlkopf bei jedem Schritt abwechselnd von der linken und der rechten Kniescheibe getroffen wird. Dazu kommen noch verheerende Kopfschmerzen, die mich an meinem Verstand zweifeln lassen. Sind das Entzugserscheinungen? Oder sind das bloß physische und psychische Halluzinationen als Ergebnis der Kopfschmerzen?
Rotwein lindert den Schmerz etwas. Rotwein aus dem Tetrapak. Aktion Eichhörnchen ist in meinem Haushalt bereits gestartet.

Ich aas ganz apokalyptisch:
1 Kaas
1 Topfen
1 Brot
1 Apfel
1 Rotwein

Krisenkrapfen

Heute ist der letzte Tag für lange Zeit, an dem ich mich von Krapfen ernähre. Morgen beginnt wieder das Apokalypsennahrungstraining (parallel zum Training gegen Tötungshemmung). Daß dieser Tag mit dem Ende des Faschings und dem Beginn der Fastenzeit zusammenfällt, ist eher auf meinen ausgeprägten Hang zum Symbolismus zurückzuführen. Das Ende der Krapfenzeit – das Ende der fetten Jahre. Der Beginn der Fastenzeit – der Beginn der Apokalypse, welcher sich durch diverse Klima- und Wirtschaftskrisen äußert.

Ja, es geht dem Ende zu. Glaubst du es nicht? Dann laß mich ein bißchen Panik verbreiten: laut TAZ rät sogar schon die deutsche Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) zum Anlegen von Vorräten für mindestens 14 Tage: Aufruf zum Hamstern. Das deutsche Bundesministerium für Ernährung und Blablabla hat auch schon eine eigene Internetseite für Ernährungsvorsorge angelegt: Ernährungsvorsorge in Deutschland. Ja, so schauts aus. Also auf auf! Laß mich durch! Ich muß zum Weinregal!
Und so werde ich von nun an und weiterhin Topfen und Brot essen, den Magen an schlechte Nahrung gewöhnen (genauso, wie ich meinen Geist ans Töten gewöhne – und auch ans Totsein), werde weiterhin Tetrapakrotwein bunkern.

Krisenvorsorge. Ich habs dir gesagt, also tritt mir nicht die Haustüre ein, wenn dir der friedenspendende Alkohol ausgeht, der dir selbst die schlimmste Krise wie einen sonnigen, vollgefressenen Nachmittag in einer Blumenwiese mit Pflanzen, gegen die du nicht allergisch bist, vorkommen läßt.

Ich aas zum Abschied:
Krapfen Krapfen Krapfen

PS: mein Tipp: Krisenvorsorge

Die lauwarmen Reste der Tötungshemmung

Heute morgen stapfte ich voll Elan und ziemlich unternehmungslustig durch den neuen Schnee Richtung Bäckerei und bot dem Wind, der um die Ecken zog, ganz schön Paroli. Ich wollte doch bloß einen warmen Kaffee und zwei, drei frische Krapfen. Doch es sollte anders kommen. Ein Kumpan aus der Obenohnebar kämpfte sich die Straße hoch. Ich wollte ihm natürlich ausweichen, fiel aber hin – meine alten Cowboystiefel hatten nie sonderlich viel Profil und im Laufe der Jahre ist es nun ganz verschwunden. Als ich fluchend auf die Beine gekommen war, stand der Typ schon grinsend vor mir. UND WAS GLAUBST DU, was er gesagt hat! WAS GLAUBST DU?
„Scheiß Schnee, was?“
Als ich das hörte, spürte ich schon, wie mein Feitel in der Tasche zu zucken begann.
„Ich mag den Schnee. Es ist gut, daß er hier ist. Er gehört hier her! Er ist schön!“, sagte ich.
Und weißt du, was er dann gesagt hat? Du kannst es dir schon denken.
„Ja, Schnee ist schön, in den Bergen. In der Stadt is er fürn Arsch.“
Da kam in mir dieses Gefühl hoch, dieser unbestimmte Drang jemanden zu töten. Ich griff in die Tasche und fühlte, ob mein Feitel da war, sah nach unten zur Bäckerei, sah zurück zu meinem Haus und entschied mich für die einfachere (aber lächerliche) Lösung. Ich schlich mich grußlos nach Hause. Die Bäckerei war mir vergangen und die Leute, ja die Leute in der Stadt sind sowieso fürn Arsch.
Und eines weiß ich nun. Ich muß an meiner Tötungshemmung arbeiten. Das Training wird heute beginnen.

Während der letzte Rest des alten Winters eisigkalt beim Fenster reinweht, esse ich die alten Reste aus dem lauwarmen Kühlschrank, der eine mißlungene Zielscheibe aufgemalt hat, in der einige Messer stecken.

Ich aas:
1 Brot
1 Käse
1 Mandarine
1 Rotwein